Natürlich beschäftigt mich auch nach der Heimkehr die USA. Herr Trump tut alles dafür, dass ich das Land sowieso nicht verdrängen kann. Allerdings habe ich ja nicht nur wunderbare Freunde und KollegInnen drüben, sondern wieder gestöbert und einige Bücher gefunden, deren Aktualität geradezu brennt.
Von Margaret Atwood wird im März in deutscher Übersetzung ihr 2015 erschienener Roman The Heart Goes Last vorliegen.
Das Herz stirbt zuletzt.
Wie gut die Übersetzung wird, weiß ich noch nicht, das Original jedenfalls ist großartig. Ja, es ist eine Dystopie. Wir werden also in eine nahe Zukunft geführt (Es könnte schneller passieren als uns lieb ist), in der der Rostgürtel die Vereinigten Staaten prägt. Das Schlimme ist: gerade dort, wo man jetzt eher noch funktionierende Gemeinwesen erlebt, im Osten, ist alles heruntergekommen. Es gibt zu wenig Jobs, kein Obama Care, keine fröhlichen Aussichten. Die Regierung kümmert sich, scheints nicht, oder kann es nicht mehr.
Charmaine und Stan, ein junges Paar, hatten vor wenigen Jahren noch Anstellungen und eine Wohnung. Nun leben sie im Auto und haben Angst vor marodierenden Banden. Als sie zufällig eine Fernsehwerbung in einem Fastfoodlokal mitverfolgen, in der ein gesichertes Leben unter bestimmten Bedingungen angeboten wird, greifen sie voller Hoffnung zu.
Positron wurde von einem Konzern gegründet, eine Stadt, die sich selbst erhält. Jeder Einwohner verpflichtet sich, umsonst zu arbeiten und bekommt dafür alles, was er braucht, inklusive Haus, Auto oder Elektrorad, Freizeitangebot. Dafür wird jedes Haus, jede Wohnung mit einem anderen Paar oder einem anderen Single geteilt. Im Monatsrhythmus wohnt man mit Freizeit und arbeitet mit Bett im Zweipersonenschlafraum im Gefängnis mit angeschlossenen Fabriken, Spitälern, Tierhöfen, Gärtnereien.
Verglichen mit der gefährlichen Tristesse rundherum scheint das ein wunderbar funktionierendes Modell, vor allem weil Viele sich bewerben, die neuen Städte bereits Satellitensiedlungen gründen, das Ganze zu funktionieren scheint. Was sich jedoch hinter den Kulissen abspielt, bekommen Charmaine und Stan erst sehr langsam und erst nach einem ersten Jahr voller Euphorie mit.
Ich kann versprechen: es wird ungemein spannend. Und es hat mehr mit uns jetzt zu tun, als uns lieb sein kann.
Es geht um Liebe, es geht um politische Satire, denn Atwood spielt mit Visionen und menschlichen Schwächen und führt uns vor, was wir zu tun bereit sind, obwohl wir es besser wissen sollten. Es ist teilweise komisch, teilweise von unglaublicher Grausamkeit, aber immer glaubwürdig, mit einer Leichtigkeit geschrieben, die einen das Buch verschlingen lässt.
Anchor Verlag, 2016
400 Seiten, 9,99 Euro; Taschenbuch
Ein Buch, das sich ganz anderes mit den Underdogs, den Verlierern des Amerikanischen Traums, der Jetztzeit beschäftigt, ist der Erzählband Die Lästigen von Joyce Carol Oates.
Gabriella Jaskulla hat eine exzellente Auswahl getroffen und Susanne Röckel lieferte eine sensible und wunderschön prägnante Übersetzung.
Das Buch kam bereits 2011 bei Eichborn heraus und ist seit 2013 als Taschenbuch von Fischer auf dem Markt. Ich habe es erst jetzt entdeckt und voller Freude festgestellt, dass alle Geschichten hier zum ersten Mal auf deutsch erschienen.
Wer die Romane von Oates liebt, kommt auch hier nicht zu kurz; denn diese Erzählungen gestalten sich wie Miniromane. Auf durchgehend 20 Seiten Länge eröffnet sich jeweils ein Drama, ein Panoptikum, eine Farce nach der anderen. Schnell lernt man die Personen lieben, die sich so sehr bemühen, auf einen grünen Zweig zu kommen, endlich einen Zipfel vom Glück zu erhaschen.
Was Oates brillant vorführt: die Geschichte einer Tragödie kann so erzählt werden, dass sie auch tröstet und hilft. Um zu verstehen, was sich in den letzten Jahrzehnten in den USA verändert hat, sind ihre Bücher ein Muss. Wer sich über ihre dicken Romane nicht traut, ist mit diesem Band gut beraten: eindringlich führt sie uns in ausweglosen Situationen Frauen und Männer vor, die vielleicht schwach sind, vielleicht liebenswert, vielleicht unsere Freunde oder gar wir selbst sein könnten.
Ich bin hingerissen von dieser Sammlung.
FISCHER Taschenbuch, 2013
386 Seiten, 9,99 Euro
Von Margaret Atwood wird im März in deutscher Übersetzung ihr 2015 erschienener Roman The Heart Goes Last vorliegen.
© https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51pSGF101PL._SX322_BO1,204,203,200_.jpg
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Das Herz stirbt zuletzt.
Wie gut die Übersetzung wird, weiß ich noch nicht, das Original jedenfalls ist großartig. Ja, es ist eine Dystopie. Wir werden also in eine nahe Zukunft geführt (Es könnte schneller passieren als uns lieb ist), in der der Rostgürtel die Vereinigten Staaten prägt. Das Schlimme ist: gerade dort, wo man jetzt eher noch funktionierende Gemeinwesen erlebt, im Osten, ist alles heruntergekommen. Es gibt zu wenig Jobs, kein Obama Care, keine fröhlichen Aussichten. Die Regierung kümmert sich, scheints nicht, oder kann es nicht mehr.
Charmaine und Stan, ein junges Paar, hatten vor wenigen Jahren noch Anstellungen und eine Wohnung. Nun leben sie im Auto und haben Angst vor marodierenden Banden. Als sie zufällig eine Fernsehwerbung in einem Fastfoodlokal mitverfolgen, in der ein gesichertes Leben unter bestimmten Bedingungen angeboten wird, greifen sie voller Hoffnung zu.
Positron wurde von einem Konzern gegründet, eine Stadt, die sich selbst erhält. Jeder Einwohner verpflichtet sich, umsonst zu arbeiten und bekommt dafür alles, was er braucht, inklusive Haus, Auto oder Elektrorad, Freizeitangebot. Dafür wird jedes Haus, jede Wohnung mit einem anderen Paar oder einem anderen Single geteilt. Im Monatsrhythmus wohnt man mit Freizeit und arbeitet mit Bett im Zweipersonenschlafraum im Gefängnis mit angeschlossenen Fabriken, Spitälern, Tierhöfen, Gärtnereien.
Verglichen mit der gefährlichen Tristesse rundherum scheint das ein wunderbar funktionierendes Modell, vor allem weil Viele sich bewerben, die neuen Städte bereits Satellitensiedlungen gründen, das Ganze zu funktionieren scheint. Was sich jedoch hinter den Kulissen abspielt, bekommen Charmaine und Stan erst sehr langsam und erst nach einem ersten Jahr voller Euphorie mit.
Ich kann versprechen: es wird ungemein spannend. Und es hat mehr mit uns jetzt zu tun, als uns lieb sein kann.
Es geht um Liebe, es geht um politische Satire, denn Atwood spielt mit Visionen und menschlichen Schwächen und führt uns vor, was wir zu tun bereit sind, obwohl wir es besser wissen sollten. Es ist teilweise komisch, teilweise von unglaublicher Grausamkeit, aber immer glaubwürdig, mit einer Leichtigkeit geschrieben, die einen das Buch verschlingen lässt.
Anchor Verlag, 2016
400 Seiten, 9,99 Euro; Taschenbuch
Ein Buch, das sich ganz anderes mit den Underdogs, den Verlierern des Amerikanischen Traums, der Jetztzeit beschäftigt, ist der Erzählband Die Lästigen von Joyce Carol Oates.
© https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51l6mhhbgSL._SX327_BO1,204,203,200_.jpg |
Gabriella Jaskulla hat eine exzellente Auswahl getroffen und Susanne Röckel lieferte eine sensible und wunderschön prägnante Übersetzung.
Das Buch kam bereits 2011 bei Eichborn heraus und ist seit 2013 als Taschenbuch von Fischer auf dem Markt. Ich habe es erst jetzt entdeckt und voller Freude festgestellt, dass alle Geschichten hier zum ersten Mal auf deutsch erschienen.
Wer die Romane von Oates liebt, kommt auch hier nicht zu kurz; denn diese Erzählungen gestalten sich wie Miniromane. Auf durchgehend 20 Seiten Länge eröffnet sich jeweils ein Drama, ein Panoptikum, eine Farce nach der anderen. Schnell lernt man die Personen lieben, die sich so sehr bemühen, auf einen grünen Zweig zu kommen, endlich einen Zipfel vom Glück zu erhaschen.
Was Oates brillant vorführt: die Geschichte einer Tragödie kann so erzählt werden, dass sie auch tröstet und hilft. Um zu verstehen, was sich in den letzten Jahrzehnten in den USA verändert hat, sind ihre Bücher ein Muss. Wer sich über ihre dicken Romane nicht traut, ist mit diesem Band gut beraten: eindringlich führt sie uns in ausweglosen Situationen Frauen und Männer vor, die vielleicht schwach sind, vielleicht liebenswert, vielleicht unsere Freunde oder gar wir selbst sein könnten.
Ich bin hingerissen von dieser Sammlung.
FISCHER Taschenbuch, 2013
386 Seiten, 9,99 Euro
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