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Saygin Ersin: Der Meisterkoch

Hoffmann und Campe // 2017 // aus dem Türkischen von Johannes Neuner 
368 Seiten // 20,00 Euro // Gebunden 

Der Meisterkoch von Saygin Ersin ist ein zauberhaftes Buch, das mich in die Welt des Orients und in seine Geschmacksgeheimnise entführt hat. Denn schon früh erkennt Îsfendiyar, der Oberküchenmeister des Sultanspalasts, warum einer der kleinen Prinzen so oft nicht essen will. Das Essen ist dann schlecht gekocht, angebrannt oder mit minderwertigen Zutaten zubereitet. Meister Îsfendiyar bewundert die Geschmacksnerven des kleinen Prinzen und schließt ihn in sein Herz.

Als ein neuer Sultan den Thron besteigt, beginnt er seine Herrschaft damit, alle männlichen Verwandten des Palastes zu töten. Aber der kleine Prinz mit dem absoluten Geschmack kann mit Hilfe seiner Mutter und seiner Amme in letzter Minute aus dem Harem entkommen. Er flieht in die Palastküche, wo ihn Meister Îsfendiyar in einem großen Topf versteckt. Es gelingt ihm den Prinzen aus dem Palast zu schmuggeln und ihn bei Meister Ådem, seinem früheren Mitlehrling, unterzubringen.

Meister Ådem ist vom berühmten Meisterkoch und Restaurantbesitzer zum Koch im Tempel der Genüsse, einem Luxusbordell, abgestiegen. Er umsorgt den kleinen Jungen jedoch gewissenhaft und lehrt ihn sein ganzes Können, hatte der Junge bei seiner Ankunft doch einen Zettel in der Hand, auf dem "Der Geschmacksbeherrscher" stand.

Ein Geschmacksbeherrscher wird nach der Überlieferung nur selten geboren. Von ihm geht eine große Macht aus, da er die Menschen durch seine Kochkunst beeinflussen kann. Auch sagt die Überlieferung, dass durch das Wirken eines Geschmacksmeisters die gesamte Küche des Orients verbessert wird. Doch bis dahin ist ein weiter Weg und der Meisterkoch muss erst bei vielen anderen Meistern in die Lehre gehen, bis er zum wahren Geschmacksbeherrscher wird.

Im Tempel der Genüsse muss der kleine Prinz um zu überleben seine Identität vergessen, er verliert seinen Namen und wird zum "Meisterkoch" ausgebildet. Alleine der jungen und wilden Kamer verrät er seinen wahren Namen. Kamer wurde gekauft um sie als Tänzerin für den Tempel der Genüsse auszubilden. Als sich die beiden ineinander verlieben, drohen sie damit die Pläne der Bordellbesitzerin und Meister Ådems zu zerstören. Mit Hilfe einer List gelingt es ihnen die Liebenden auseinander zubringen und den Meisterkoch zu seinen nächsten Lehrmeistern zu schicken.

Saygin Ersin erzählt  in einer ruhigen poetischen Sprache, die mich sofort gefesselt hat. Durch Rückblenden und Einschübe erfährt man die ganze Geschichte, auch aus den Augen des Meisterkochs. Seinen langen Weg über die Brüder Sterndeuter und Arzt, die Meisterin der Gewürze und den Bibliothekar, der dem Meisterkoch die letzten Geheimnisse anvertraut.

Jetzt schmiedet der Meisterkoch einen gefährlichen Plan, wie er mit der Macht seiner Kochkunst Kamer zurückgewinnen kann. Kamer ist inzwischen als Tänzerin in den Harem des Sultans verkauft worden. Doch der Meisterkoch hat gelernt mit Hilfe seiner Kochkunst Menschen zu beherrschen und zu verzaubern und so gelingt es ihm zurück in die Palastküche zu Meistern Îsfendiyar zu kommen, um seine Plan zu verwirklichen. Dabei geht er ein hohes Risiko ein, aber wie schon die Meisterin der Gewürze erkannte, kann erst sein wahrer Name, gesprochen aus Kamers Mund, seine verletzte Seele heilen und ihn zum wahren Geschmacksbeherrscher machen.

Ein tolles Buch, eine schöne Geschichte, fast ein Märchen, aber auch so spannend und fesselnd wie ein Krimi. Ich konnte förmlich die Gerüche riechen und die Gewürze der Speisen schmecken und ich hätte mir das Buch doppelt so dick gewünscht. Nach der Lektüre habe ich erst mal den Küchenschrank inspiziert und neue Gewürze und Zutaten auf meine Einkaufsliste geschrieben.

Für das Rezension-exemplar danken wir:

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