Iori Fujiwara: Der Sonnenschirm des Terroristen & Ralph Hammersthaler: Unter Komplizen
Iori Fujiwara: Der Sonnenschirm des Terroristen
Krimi //Original: Terorisuto no Parasoru // 1998
cass Verlag // 2017 // aus dem Japanischen von Katja Busson
352 Seiten // Euro // Hardcover
Eigentlich sollte es ein Tag werden wie jeder andere. Die Sonne scheint und Shimamura steht wie gewohnt um 9 Uhr auf, um sich in den Park zu legen und das schöne Wetter zu genießen. Dabei nimmt er gleich die ersten Schlucke Alkohol, um das Zittern seiner Hände zu verhindern. Als Besitzer einer Bar hat er als Alkoholiker die besten Voraussetzungen, um an Alkohol zu gelangen.
Doch es ist kein gewöhnlicher Tag. Denn es gibt eine Explosion und ehe Shima sich versieht, steckt er mitten in der Geschichte rund um den Anschlag. Schnell gerät er wegen seiner studentischen Vergangenheit in den Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen und beschließt unterzutauchen. Als Shima in der Zeitung unter den Todesopfern die Namen seiner ehemaligen Freunde Yoko und einen totgeglaubten Freund entdeckt, wird ihm schnell klar, dass das kein Zufall sein kann.
Doch glücklicherweise muss Shima nicht alleine ermitteln. Nach dem Tod ihrer Murrer Yoko sucht Toko Shima auf und bietet ihm bereitwillig ihre Hilfe an. Sie ist jung, hübsch, temperamentvoll und neugierig und möchte nicht nur den Tod ihrer Mutter rächen. Sie will herausfinden, in was für einen Mann ihre Mutter ihr halbes Leben verliebt war. Auch der "kleine Yakuza" Assai scheint Shima zu mögen und hat wohl auch noch so seine eigenen Grunde, warum er ihm hilft.
Dies ist der erste Krimi, den ich lese, der in Japan spielt. Ich hatte bisher kaum ein Bild von diesem Land - abgesehen von den Schiebern der U-Bahn, die dafür sorgen, dass die Menschen alle in die Züge passen. Bisher hat mich mein fehlendes Wissen nicht gestört, da ich allgemein an Südostasien nicht sonderlich interessiert war.
Dieses Buch hat meine Sichtweise geändert. Den Namen Iori Fujiwara werde ich mir auf jeden Fall merken. Der Krimi hat alles, was ein guter Krimi benötigt und noch viel mehr. Tolle tiefgründige Charaktere, eine kluge, spannende Handlung mit guter Auflösung und einen klassischen Showdown. Zu Beginn haben mich die unbekannten Namen verwirrt und ich musste mich ein paar Mal erinnern "wer war das nochmal?", aber auch ich habe es schnell geschafft Toko und Yoko auseinanderzuhalten.
Der Sonnenschirm ist ein tiefgründiger, spannender Krimi mit "spitzenmäßigem" Showdown auf höchstem Niveau.
Ralph Hammerthaler: Unter Komplizen
Roman // Verbrecher Verlag // 2018
493 Seiten // 24 Euro // Hardcover
Das zweite Buch dieses Tages ist Unter Komplizen von Ralph Hammerthaler. Bei diesem Titel musste ich direkt an einen Krimi denken und sortierte den Roman direkt zu unserem blutigen Sommer zu. Auf den ersten Seiten glaubte ich meine erste Auffassung revidieren zu müssen, doch je weiter ich las schien ich doch in gewisser Weise bestätigt zu sein. Natürlich gibt es keinen großen Mord und Ermittlungen um den Täter, doch stellen die Komplizen ihre ganz eigenen Ermittlungen an. Sie sind auf der Suche nach dem Höhepunkt ihres Schaffens und ihres künstlerischen Ausdrucks, wobei sie aufpassen müssen sich nicht selbst in der Kunst zu verlieren.
Philosophen, Schauspieler, Fotographen, Autoren, Komponisten und Filmregisseure - Unter Komplizen vereint wohl nahezu alle Künstler und deren Schaffen. Die Geschichte beginnt in Seestadt, einem fiktiven Ort in der Nähe von München. Dort gibt es eine Künstlerburg, die sechs Stipendiaten ein Jahr lang Unterkunft bietet und lang finanziell unterstützt. Dort treffen sich die Autoren Ben und Georg, Schauspieler Rafael und Choerograph Muhannad. So unterschiedlich wie sie alle sind, so verbindet sie doch eines, ihr künstlerisches Schaffen. Doch dabei stoßen sie auch schnell an ihre Grenzen. So sieht sich Muhannad scheiternd an der schwierigen Aufgabe seine Religion, den Sufismus, und seine Leidenschaft das Ballet zu vereinen. Der Komponist Sirius verliert sich in seinen komponierten Klängen der Glücksspielautomaten, während Gregor sich als Undercoverpolizist durchschlagen muss und sich durch Mikrofonraub versucht Gehör zu verschaffen.
Was Josephine nicht versteht, dachte er, ist, wie viel das Glücksspiel mit Kunst zu tun hat. Wer komponiert, spekuliert. Der Komponist steigt ebenso in den Fluss wie der Zucker, sagte er in Gedanken zu ihr. Beide werden von der Strömung erfasst und mitgerissen.
Er hörte sie spotten, wie meistens, wenn er nach fragwürdigen Bildern griff. Davon abgesehen, war er sicher, dass sie wusste, wovon er sprach. Wer, wenn nicht sie. Doch sie würde, erführe sie davon, seine Aufenthalte im Casino nicht billigen. Als hielte sie ihn für gefährdet.
In der Regel handelte es sich um die Logik eines Würfelspiels. Die Chancen zu verlieren lag, mathematisch betrachtet, höher, als die Chance zu gewinnen. Einmal zu würfeln kostet dich einen Euro als Gewinn. Aufs Ganze gesehen, wirst du verlieren. Das muss auch so sein.
Und die Kunst?, fragte Sirius, welche Chance hat die Kunst?
Wieder traf ihn Josefines Spott.
Ralph Hammerthaler schreibt mit einer Spannung, die Seite um Seite stetig steigt. Dabei gibt es auch immer wieder lustige Szenen, die mich zum Lachen gebracht haben und ganze Szenen haben skurril erscheinen lassen. Eine meiner Lieblingsszenen hierbei das Gespräch der Geschwister Sirius und Josephine mit ihren Eltern über ihre blauen und roten Bademäntel.
Dieser Roman hat mich in einen Bann gezogen und mich auch nicht mehr richtig losgelassen.
Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich meine Gedanken über dieses Buch in Worte fassen soll. Es gibt viele Bücher, die mir noch nach dem Lesen in Erinnerung bleiben und einige, über die ich auch noch viel nachdenke, aber Unter Komplizen ist etwas besonderes. Ich denke nicht nur über das Buch nach, ich sehe einzelne Szenen noch immer vor mir und drehe und wende sie, um sie in einem neuen Licht betrachten zu können. Ich versuche mir die einzelnen Charaktere vorzustellen und wünschte ich könnte mit ihnen reden und ihnen Fragen stellen. Denn vieles lässt Hammerthaler offen und überlässt es der Fantasie des Lesers.
So lässt mich Unter Komplizen auch nachdenklich zurück: Vielleicht ist der Grad zwischen Kunst und Wahnsinn doch schmaler als wir glaubten, sowie zwischen Anerkennung und schmähender Kritik. Wie soll ein Künstler sich auf diesem dünnen Weg bewegen, ohne stets von der Angst geplagt zu sein, zu stürzen?
Unter Komplizen ist mehr als nur ein Roman, es ist ein Kunstwerk über die künstlerische Szene und deren Abgründe.
Für die Rezension-exemplare danken wir:
cass Verlag
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