3.1.2018
In den letzten vierzehn Jahren bin ich sechsmal in Thailand herum gereist, das letzte Mal 2015. Damals wurde mir klar, dass das Bangkok, in das ich mich 2004 verliebt hatte, gerade endgültig verschwand.
Thailand hatte über Jahrzehnte einen widersprüchlichen Ruf: zum Einen galt es als das Feenland der Königin Sirikit, die in den frühen 60-er Jahren Europa auf den Good Will Touren des Königspaares bezirzte. Zum Anderen war es als Sextourismusdestination bekannt. Beides hatte wenig mit dem tatsächlichen Land zu tun und beleuchtete doch Thai Spezifika.
Das Königshaus ist hoch angesehen. Thailands wirtschaftlicher Aufschwung war sicher nur möglich, weil der vielgeliebte König Bhumipol über Jahrzehnte hinweg Wissenschaft, Modernisierung, Umweltschutz und Bildungsoffensiven gefördert und initiiert hat. Wer je die Schuldichte auch in den armen Gegenden des Landes, die vielen „grünen“ Projekte des Königs gesehen hat, dem wird klar, warum Thailand den Sprung aus der 3. Welt so schnell geschafft hat. Der Ursprung liegt natürlich schon länger zurück, nämlich gute 170 Jahre.
Thailand hatte es schon während der Kolonialisierung Asiens durch Europa geschafft, unabhängiger als Nachbarstaaten zu bleiben. Das lag damals auch am Geschick König Monkuts, der seine erste Lebenshälfte im Kloster verbrachte und dann mit einer geschickten Heiratspolitik alle Adelsfamilien des Landes zu Verwandten machte (er heiratete die Töchter aller einflussreichen Männer). Damit verhinderte er die Strategie der Briten und Franzosen, die Clans gegeneinander auszuspielen und dabei der Gewinner zu bleiben. Die spezifische Thaiversion des Buddhismus sah Frauen als nicht gleichwertig an. Vor allem waren Töchter eine Handelsware, die armen Familien durch ihren Verkauf an reiche Männer das Überleben sichern konnten. (Das erleichterte später die Einrichtung von Vergnügungsvierteln für die amerikanischen GIs während des Vietnamkriegs in Pattaya, dem Ursprungsort des ungezügelten Sextourismus der 80-er und 90-er Jahre).
König Monkut ist der König, den viele von uns aus dem alten Musical „The King and I“ mit J. Andrews und dem Film „Anna und der König“ mit J. Foster kennen. Beide Filme haben sich der Autobiografie Anna Leonowens, einer englischen Lehrerin aus Singapur, bedient und die spannende Geschichte teilweise ordentlich verfälscht und heftig verkitscht. Beide Filme sind in Thailand wegen Verunglimpfung des Königshauses verboten.
Was Wunder, dass ich nun endlich, nach so vielen Jahren, den langen Flug von Wien nach Bangkok für diese Lektüre nutzte!
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Anna war 1862 eine junge Witwe mit kleinem Sohn, deren Mann, ein viel versprechender britischer Offizier, kurz zuvor überraschend gestorben war. Als 1862 der Brief des siamesischen Königs an den britischen Gouverneur in Singapur einlangte, in dem er um eine Englischlehrerin für die königliche Familie bat, sah Anna darin die Chance ihres Lebens, finanziell unabhängig zu bleiben und auch die Internatskosten für ihren älteren Sohn, der nach England gebracht worden war, bezahlen zu können. Sie schiffte sich mit Sohn, Mobilar und ihren Büchern ein. Ihr persischer Diener und dessen pakistanische Frau begleiteten sie.
Sechs Jahre unterrichtete sie königliche Frauen und Kinder, korrigierte politische Botschaften an ausländische Regierungen, mischte sich in Innere Angelegenheiten ein und muss sowohl den Premierminister, den sie sehr schätzte, als auch den König manchmal fürchterlich genervt haben.
Sie war belesen, selbstbewusst, weltoffen, eine überzeugte Christin und Engländerin, die ihren eigenen Landsleuten in der Fremde kritisch gegenüber stand. Obwohl Jesus in der anglikanischen Heilsverkündung die beste göttliche Version für sie darstellte, setzte sie sich ernsthaft und neugierig mit anderen Religionen auseinander und bekämpfte eigene Voruteile immer wieder. Rasend machten sie die Zustände nicht nur im Harem. Für eine Frau des Viktorianischen Zeitalters ist sie erstaunlich feministisch! Ihr Buch, das sie später über den Harem schrieb, wurde natürlich nie verfilmt!
Vermutlich macht das auch den Reiz der Lektüre aus. Sie bietet viel mehr als ich erwartet hätte und erinnert damit an die großen schreibenden, reisenden Frauen des 19. Jahrhunderts. (Allerdings ermüden vielleicht die langen Passagen über Gesetzestexte und politisches Hickhack.)
Das Bangkok, das sie erlebte, gibt es natürlich nicht mehr: die schwimmenden Häuser, die man auf dem Fluss und in den vielen Kanälen bewohnte, um den Seuchen an Land zu entgehen, sind Wolkenkratzern gewichen; die vielen Klongs (Kanäle) verlaufen nun unterirdisch oder wurden für Straßen zugeschüttet. Aber draußen auf dem Land, vor allem in den Bergregionen und dem ärmeren, touristisch wenig erschlossenen Osten findet sich noch viel Ursprüngliches, das an Anna Leonowens Beobachtungen anschließen kann.
Deshalb wartete der reservierte Wagen bereits am Flughafen und die Fahrt ging sofort weg vom Stadtmoloch Richtung Nordosten, durch die Tiefebene zwischen Speckgürtel, Reisfelder und Kleinindustrieanlagen hin zu den ersten Bergen, die sich plötzlich von West nach Ost wie eine blau leuchtende Barriere aus dem Dunst erheben.
Dort liegt der Khao Yai Nationalpark und dort wollten mein Mann und ich diesmal die Reise beginnen.
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