„Es dauerte ein ganzes Leben, um es aufzubauen, und nur eine Sekunde, um es zu zerstören. Familienleben. Das ging als Erstes flöten. Dann die Würde, und mit ihr der gute Ruf. Alles andere folgte in den Strudel. Nur ihre Arbeit ist geblieben.“
Mit diesen Worten „begrüßt“ McAfee ihre Leser*innen im ersten Kapitel und bildet einen Strudel, der sie in das Buch zieht.
Mit diesen Worten „begrüßt“ McAfee ihre Leser*innen im ersten Kapitel und bildet einen Strudel, der sie in das Buch zieht.
Annalena McAfee: Blütenschatten
Roman // Original: Nightshade (2020)
Diogenes Verlag // 2021// Aus dem Englischen von pociao und Roberto de Hollanda
336 Seiten // 24,00 Euro // Hardcover Leinen mit Schutzumschlag
Auch wenn sich Kristof und Eve möglicherweise mal geliebt haben, sind diese Gefühle schon lange Vergangenheit. Ihre Ehe lässt sich am besten als ein stillschweigendes Einvernehmen, ein passendes Arrangement beschreiben. Nach außen geben sie eine perfekte Familie, Eve spielt für Kristof, der erfolgreicher Architekt ist, die Begleitung für seine Geschäftsessen, im Gegenzug finanziert Kristof ihnen ein Luxusleben. Eve ist Künstlerin und mit einer ihrer ersten Arbeiten Underground Florilegium in der Kunstszene weit bekannt. Dennoch liegt der „Fluch“ auf ihr, dass sie ständig mit erfolgreichen Menschen assoziiert wird. Angefangen mit ihrem Mann Kristof und auch mit Geistern ihrer Vergangenheit - Wanda Wilson, die sich seit dem Studium von ihrer härtesten Konkurrentin zur Erzfeindin entwickelt hat, und Florian Kiš, einem der bekanntesten Porträtmaler, der Eve mit dem berühmten Gemälde Mädchen mit Blume verewigt hat.
„Eve denkt an die Mappe, die es niemals gab. Jeder Liebhaber muss sie mindestens ein ordentliches Gemälde gekostet haben. Sie hatte ihr Werk den Anforderungen ihres rastlosen, gierigen Körpers geopfert.“ So muss sie sich nun als Pflanzenkünstlerin bezeichnen lassen und von Wanda Wilson und Florian Kiš in den Schatten stellen lassen. Doch Eve will nicht mehr länger nur das Mädchen mit Blume sein. Eve arbeitet an ihrem Werk, ihrem großen Werk, das sie der Nachwelt hinterlassen wird und sie unsterblich macht, das Poison Florilegium.
Am Poison Florilegium arbeitet sie nicht allein. Es gibt ein Team an Mitarbeitern, die Blumen sezieren, Leinwände grundieren, Farben mischen und sonstige Arbeiten im Atelier erledigen. Neben den zwei Festangestellten Josette und Glynn unterstützen sie noch vier weitere Personen bei ihrem Projekt. Doch aufgrund verschiedner Spannungen bleibt schließlich nur noch einer, Luka. Luka ist halb so alt wie Eve, hat sein Studium und seine Dissertation beendet und erledigt seine Arbeit mit genauster Konzentration und Sorgfalt. In ihm erkennt Eve eine verwandte Seele, einen Außenseiter so wie sie einer gewesen war und ist. Und so stürzt sie sich mit ihm in eine Affäre.
Blütenschatten ist ein Roman, den ich verschlungen habe. Ich verstehe, dass viele Leser*innen Eve nicht als gerade sympathisch empfunden haben. Dennoch habe ich sie für ihre Stärke bewundert und ihre Leidenschaft. Sie geht offen damit um, dass sie selbst keine Kinder haben wollte und ihre Tochter für sie nur eine Enttäuschung ist, deren Leben mit Haus, Mann, Kind und Hund durch Kristof finanziert wird. Doch das ist für Eve auch letztlich nicht zu tragisch. Denn über allem steht die Kunst. Eve ist Künstlerin, nicht Pflanzenkünstlerin oder Blumenmädchen.
Ich bin kein Fan davon, danach zu fragen, was Autor*innen ihren Leser*innen sagen wollten und nach einer versteckten, tieferen Botschaft zu suchen. Aber in diesem Fall habe ich das Gefühl, dass McAfee ihrem Buch gerade eine Botschaft geben will - zumal sie selbst kritisiert, dass Kritiker*innen in Eves Werk die wahnwitzigsten Dinge hineininterpretieren. Abgesehen von einer gewissen Gesellschaftskritik und der Urbanisierung Londons mit allen ihren Folgen vermittelte McAfee nicht gerade ein positives Menschenbild. Viel mehr sind ihre Charaktere entweder egoistisch oder gehen in der modernen Welt unter. Aber wenn es nur um Gesellschaftskritik geht, wäre nicht so ein Roman entstanden. Vielleicht soll die Geschichte von Eve Laing bewusst machen, dass das Leben eine Gratwanderung ist. Was man aus diesem Umstand macht - einen Rembrandt oder ein Graffiti an der Toilettenwand-, ist jedem selbst überlassen.
„Auch das Exil hat seine Annehmlichkeiten, wie Adams Eva sicher am eigenen Leib erfahren hat. Das Paradies mit seinem endlos wiedergekäuten Glück muss stinklangweilig gewesen sein, und der plötzliche Fluch der Sterblichkeit wird ihm eine frische und süße Intensität verliehen haben. Nur die Dummen und Gleichgültigen blieben ungerührt angesichts der Gefahren, die in der Wildnis lauern. Die erste Eva hatte die säuselnden Argumente der Schlange gehört, sie abgewogen und ihre Entscheidung getroffen. Adam spielte dabei keine große Rolle. Auch er hatte sich als Langweiler entpuppt.
Die Eve aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert musste nicht überredet werden.“
Das erste Kapitel stellt direkt klar, womit wir es zu tun haben. Eve Laing eine Frau Anfang 60 hat sich von ihrem Mann scheiden lassen und sich damit das Leben, das sie jahrelang an seiner Seite geführt hat, genau so in den Wind geschossen. Wie es dazu kommen konnte, lässt Eve während ihrer Fahrt von ihrem früheren Haus zu ihrem Atelier Revue passieren.
„Eve denkt an die Mappe, die es niemals gab. Jeder Liebhaber muss sie mindestens ein ordentliches Gemälde gekostet haben. Sie hatte ihr Werk den Anforderungen ihres rastlosen, gierigen Körpers geopfert.“ So muss sie sich nun als Pflanzenkünstlerin bezeichnen lassen und von Wanda Wilson und Florian Kiš in den Schatten stellen lassen. Doch Eve will nicht mehr länger nur das Mädchen mit Blume sein. Eve arbeitet an ihrem Werk, ihrem großen Werk, das sie der Nachwelt hinterlassen wird und sie unsterblich macht, das Poison Florilegium.
Am Poison Florilegium arbeitet sie nicht allein. Es gibt ein Team an Mitarbeitern, die Blumen sezieren, Leinwände grundieren, Farben mischen und sonstige Arbeiten im Atelier erledigen. Neben den zwei Festangestellten Josette und Glynn unterstützen sie noch vier weitere Personen bei ihrem Projekt. Doch aufgrund verschiedner Spannungen bleibt schließlich nur noch einer, Luka. Luka ist halb so alt wie Eve, hat sein Studium und seine Dissertation beendet und erledigt seine Arbeit mit genauster Konzentration und Sorgfalt. In ihm erkennt Eve eine verwandte Seele, einen Außenseiter so wie sie einer gewesen war und ist. Und so stürzt sie sich mit ihm in eine Affäre.
Blütenschatten ist ein Roman, den ich verschlungen habe. Ich verstehe, dass viele Leser*innen Eve nicht als gerade sympathisch empfunden haben. Dennoch habe ich sie für ihre Stärke bewundert und ihre Leidenschaft. Sie geht offen damit um, dass sie selbst keine Kinder haben wollte und ihre Tochter für sie nur eine Enttäuschung ist, deren Leben mit Haus, Mann, Kind und Hund durch Kristof finanziert wird. Doch das ist für Eve auch letztlich nicht zu tragisch. Denn über allem steht die Kunst. Eve ist Künstlerin, nicht Pflanzenkünstlerin oder Blumenmädchen.
Ich bin kein Fan davon, danach zu fragen, was Autor*innen ihren Leser*innen sagen wollten und nach einer versteckten, tieferen Botschaft zu suchen. Aber in diesem Fall habe ich das Gefühl, dass McAfee ihrem Buch gerade eine Botschaft geben will - zumal sie selbst kritisiert, dass Kritiker*innen in Eves Werk die wahnwitzigsten Dinge hineininterpretieren. Abgesehen von einer gewissen Gesellschaftskritik und der Urbanisierung Londons mit allen ihren Folgen vermittelte McAfee nicht gerade ein positives Menschenbild. Viel mehr sind ihre Charaktere entweder egoistisch oder gehen in der modernen Welt unter. Aber wenn es nur um Gesellschaftskritik geht, wäre nicht so ein Roman entstanden. Vielleicht soll die Geschichte von Eve Laing bewusst machen, dass das Leben eine Gratwanderung ist. Was man aus diesem Umstand macht - einen Rembrandt oder ein Graffiti an der Toilettenwand-, ist jedem selbst überlassen.
„Auch das Exil hat seine Annehmlichkeiten, wie Adams Eva sicher am eigenen Leib erfahren hat. Das Paradies mit seinem endlos wiedergekäuten Glück muss stinklangweilig gewesen sein, und der plötzliche Fluch der Sterblichkeit wird ihm eine frische und süße Intensität verliehen haben. Nur die Dummen und Gleichgültigen blieben ungerührt angesichts der Gefahren, die in der Wildnis lauern. Die erste Eva hatte die säuselnden Argumente der Schlange gehört, sie abgewogen und ihre Entscheidung getroffen. Adam spielte dabei keine große Rolle. Auch er hatte sich als Langweiler entpuppt.
Die Eve aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert musste nicht überredet werden.“
Wir danken dem Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.
Vorgelesen von
Gianna
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