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Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020
160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen

Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein:

Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine gewisse Art zu lächeln auf dieses Ich gestülpt.

Hinter der Jobsuche steht für Hannah ein viel größeres Thema:  Wie möchte ich mein weiteres Leben gestalten? Die festen Bahnen der Schule und später Universität hat sie verlassen und muss nun ihrem Leben eine Richtung geben. Aber wohin?
Hannah führt eine verkorkste Beziehung mit ihrem Freund Moritz, die meiner Meinung nach absolut toxisch ist. Moritz weiß selbst kaum etwas mit sich anzufangen und träumt von der großen Musikkarriere mit Band. Eine Trennung war bereits auf den ersten Seiten absehbar und spätestens als Moritz ohne Absprache mit einem Goldenretriever nach Hause kommt, der nicht alleine bleiben kann, um dann einige Wochen auf Tour zu fahren, unvermeidbar. Glücklicherweise wird der Hund Robby zu einem Ankerpunkt in Hannahs Leben, den sie trotz des Problems seines Nicht- Alleinseinkönnens nicht mehr missen möchte. Er gibt ihr Struktur und tröstet sie mit seiner Nähe. Natürlich kann ein Hund nicht alle Probleme lösen, daher sucht sie bei ihren Freunden um Rat. Diese sind letztendlich jedoch alle genauso verloren wie Hannah selbst.

"Ich weiß nicht, weiß nicht, weiß nicht, Luise. Dieses Leben. Ich wollte doch immer nur..." Sie stockt. "Ich glaube, ich wollte immer nur das, was alle wollen. Beruf, Familie. Und. Einfach. Was man bürgerliche Existenz nennt. Wahrscheinlich."
Jetzt atmet Luise lange aus. Was eher nach Aggression als nach Meditation klingt. "Und jetzt willst du, dass ich dir sage, welche Entscheidungen auf dem Weg dorthin die richtigen sind?!"
Hannah fühlt sich ertappt.
"Wie hast du damals erkannt, dass du Filme machen willst?"
"Hannah. Ich helfe gerne wo ich kann! Aber manchmal kommt dir das Feingefühl ein bisschen abhanden."
Luise schluckt, schluchzt leise und sagt: "Mein Leben ist doch auch gerade so anstrengend. Verstehst du das nicht?"

Nun wird Hannah schließlich bewusst, dass selbst ihre Freundin Luise, zu der sie aufgeschaut hat, nicht allwissend ist und sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen muss. Denn manchmal ist es besser eine nicht perfekte Entscheidung zu treffen, als ewig im Stillstand zu verharren. Deshalb ist der Titel des letzten Kapitels um so passender: Rücke vor auf GO!

Das zarte Bellen langer Nächte ist jetzt auch als eBook für 14,99 Euro erhältlich! ISBN: 978-3-7920-0217-9


Wir danken dem Karl Rauch Verlag für das Rezensionsexemplar.

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