Was ist die Triage?
Erste Berichte über eine Triage gibt es aus den Koalitionskriegen zwischen 1792 und 1815. Damals wies der hoch geschätzte militärische Chefarzt Dominique Larrey seine Mitarbeiter an, die verletzten Soldaten in drei Gruppen einzuteilen, nach denen sie priorisiert behandelten wurden. Für diese Einteilung waren Nationalität und militärischer Rang der Verletzten egal, entscheidend war die Schwere der Verletzung. Larrey und seinen Kollegen ging es in einer Situation, in der sie nicht allen gleichzeitig helfen konnten, die Hilfe benötigten, darum möglichst viele Leben zu retten, ohne die Wahl, wer gerettet werden soll, auf diskriminierende Erwägungen zu stützen.
Adriano Mannino: Wen rette ich - und wenn ja, wie viele? Über Triage und Verteilungsgerechtigkeit.
Erste Berichte über eine Triage gibt es aus den Koalitionskriegen zwischen 1792 und 1815. Damals wies der hoch geschätzte militärische Chefarzt Dominique Larrey seine Mitarbeiter an, die verletzten Soldaten in drei Gruppen einzuteilen, nach denen sie priorisiert behandelten wurden. Für diese Einteilung waren Nationalität und militärischer Rang der Verletzten egal, entscheidend war die Schwere der Verletzung. Larrey und seinen Kollegen ging es in einer Situation, in der sie nicht allen gleichzeitig helfen konnten, die Hilfe benötigten, darum möglichst viele Leben zu retten, ohne die Wahl, wer gerettet werden soll, auf diskriminierende Erwägungen zu stützen.
Adriano Mannino: Wen rette ich - und wenn ja, wie viele? Über Triage und Verteilungsgerechtigkeit.
Reclam Verlag // 2020
120 Seiten // 6,00 Euro
Der Begriff Triage geht auf das französische „triage“ für „Auswahl, Sichten, Sortieren“ zurück und beschreibt also eine Situation, in der nicht allen Hilfebedürftigen eine Hilfeleistung gleichzeitig zukommen kann. Solche Situationen gibt es im normalen Alltag, wo wir sie vor allem im Zusammenhang mit Transplantationslisten kennen, und wird im Katastrophenfall bsp. bei Krieg oder Epidemien der Gesellschaft noch deutlicher vor Augen geführt. Dabei ist das Grundprinzip der Triage, egal ob im Normal- oder Katastrophenfall vermeide es nach Kräften, triagieren zu müssen.
Aber was tun, wenn trotz aller Präventionsmaßnahmen der Triagefall eintritt? Damit beschäftigt sich Mannino bezogen auf die Pandemie in seinem Essay.
Mannino schreibt über ein sehr sensibles Thema und versucht die Lesenden auch dafür zu sensibilisieren, dass das Triagieren keine Sache ist, die ausschließlich im Krankenhaus hinter verschlossenen Türen stattfindet. Die Bilder aus den Intensivstationen der Krankenhäuser weltweit hat viele Menschen wachgerüttelt und nur all zu gut verdeutlicht, dass es sich hier um ein Problem handelt, was die gesamte Gesellschaft betrifft.
Im dritten Teil spricht Mannino über Risikogruppen und stellt für mich nachvollziehbar dar, warum nicht nur die ältere Bevölkerung automatisch die einzige Risikogruppe ist, auf die alle anderen Menschen Rücksicht nehmen müssen. Beispielsweise gehört ein junger Mensch, der einen starken Krankheitsverlauf haben kann, genauso sehr zu einer schützenswerte Risikogruppe. Im Rahmen dieser Überlegungen erwähnt Mannino auch die Priorisierung beim Impfvorgang, was auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert wurde. Dieses Thema habe ich leider im Zusammenhang mit dem Triagefall vermisst. Denn zunächst dachte ich, dass Mannino das Thema Impfung als Kriterium im Triagefall nicht erwähnt, da zum Zeitpunkt, in dem Mannino das Essay vervollständigt hat, ein flächendeckendes Impfangebot noch in zu weiter Ferne lag. Da er sich jedoch im dritten Teil mit dem Thema beschäftigt, finde ich es schade, dass er eine mögliche Impfung im ersten Teil nicht angesprochen hat. Meiner Meinung nach hätte dies die Debatte nochmal um einen weiteren Aspekt bereichern können, der außerhalb von Alter und „stakes“ liegt, da (zumindest die meisten) Menschen in Deutschland sich frei für oder gegen eine Impfung entscheiden können.
Über das ganze Essay verteilt lässt Mannino auch Ansätze von John Rawls sowie den Utilitarismus - bekannt durch das „Trolles-Problem“ - in seiner Betrachtung einfließen. Gerade John Rawls` Ansätze finde ich sehr spannend, wonach relevante gesellschaftliche Entscheidungen unter einem Schleier des Nichtwissens getroffen werden sollen. Durch diesen Schleicher des Nichtwissens wissen Personen nicht, welche Position sie in der der Gesellschaft haben werden, wodurch eine möglichst gerechte Entscheidung getroffen werden soll, mit der alle einverstanden sind. Der Schleicher des Nichtwissens ist also ein sehr interessantes Konstrukt, hinter dem jedoch sehr viel mehr steckt als dass ich ihm durch diese kurze Erklärung gerecht werden könnte. Ein wenig Vorwissen im Bereich der Gerechtigkeits- und Verteilungstheorie ist für das Lesen des Essays also eher von Vorteil, da er sonst vermutlich eher schwere Lesekost wird. Dies macht das Thema jedoch nicht weniger aktuell und bedeutend. Und vielleicht regt es ja den einen oder anderen Lesenden dazu an, sich noch mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Auch daran hat Mannino gedacht und im Anhang eine ausführliche Aufzählung seiner Quellen angefügt. Allgemein arbeitet Mannino auch mit vielen Fußnoten, so dass interessierte Lesende auf der Suche nach weiterführender Literatur schnell fündig werden.
Der Begriff Triage geht auf das französische „triage“ für „Auswahl, Sichten, Sortieren“ zurück und beschreibt also eine Situation, in der nicht allen Hilfebedürftigen eine Hilfeleistung gleichzeitig zukommen kann. Solche Situationen gibt es im normalen Alltag, wo wir sie vor allem im Zusammenhang mit Transplantationslisten kennen, und wird im Katastrophenfall bsp. bei Krieg oder Epidemien der Gesellschaft noch deutlicher vor Augen geführt. Dabei ist das Grundprinzip der Triage, egal ob im Normal- oder Katastrophenfall vermeide es nach Kräften, triagieren zu müssen.
Aber was tun, wenn trotz aller Präventionsmaßnahmen der Triagefall eintritt? Damit beschäftigt sich Mannino bezogen auf die Pandemie in seinem Essay.
Mannino schreibt über ein sehr sensibles Thema und versucht die Lesenden auch dafür zu sensibilisieren, dass das Triagieren keine Sache ist, die ausschließlich im Krankenhaus hinter verschlossenen Türen stattfindet. Die Bilder aus den Intensivstationen der Krankenhäuser weltweit hat viele Menschen wachgerüttelt und nur all zu gut verdeutlicht, dass es sich hier um ein Problem handelt, was die gesamte Gesellschaft betrifft.
Im dritten Teil spricht Mannino über Risikogruppen und stellt für mich nachvollziehbar dar, warum nicht nur die ältere Bevölkerung automatisch die einzige Risikogruppe ist, auf die alle anderen Menschen Rücksicht nehmen müssen. Beispielsweise gehört ein junger Mensch, der einen starken Krankheitsverlauf haben kann, genauso sehr zu einer schützenswerte Risikogruppe. Im Rahmen dieser Überlegungen erwähnt Mannino auch die Priorisierung beim Impfvorgang, was auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert wurde. Dieses Thema habe ich leider im Zusammenhang mit dem Triagefall vermisst. Denn zunächst dachte ich, dass Mannino das Thema Impfung als Kriterium im Triagefall nicht erwähnt, da zum Zeitpunkt, in dem Mannino das Essay vervollständigt hat, ein flächendeckendes Impfangebot noch in zu weiter Ferne lag. Da er sich jedoch im dritten Teil mit dem Thema beschäftigt, finde ich es schade, dass er eine mögliche Impfung im ersten Teil nicht angesprochen hat. Meiner Meinung nach hätte dies die Debatte nochmal um einen weiteren Aspekt bereichern können, der außerhalb von Alter und „stakes“ liegt, da (zumindest die meisten) Menschen in Deutschland sich frei für oder gegen eine Impfung entscheiden können.
Über das ganze Essay verteilt lässt Mannino auch Ansätze von John Rawls sowie den Utilitarismus - bekannt durch das „Trolles-Problem“ - in seiner Betrachtung einfließen. Gerade John Rawls` Ansätze finde ich sehr spannend, wonach relevante gesellschaftliche Entscheidungen unter einem Schleier des Nichtwissens getroffen werden sollen. Durch diesen Schleicher des Nichtwissens wissen Personen nicht, welche Position sie in der der Gesellschaft haben werden, wodurch eine möglichst gerechte Entscheidung getroffen werden soll, mit der alle einverstanden sind. Der Schleicher des Nichtwissens ist also ein sehr interessantes Konstrukt, hinter dem jedoch sehr viel mehr steckt als dass ich ihm durch diese kurze Erklärung gerecht werden könnte. Ein wenig Vorwissen im Bereich der Gerechtigkeits- und Verteilungstheorie ist für das Lesen des Essays also eher von Vorteil, da er sonst vermutlich eher schwere Lesekost wird. Dies macht das Thema jedoch nicht weniger aktuell und bedeutend. Und vielleicht regt es ja den einen oder anderen Lesenden dazu an, sich noch mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Auch daran hat Mannino gedacht und im Anhang eine ausführliche Aufzählung seiner Quellen angefügt. Allgemein arbeitet Mannino auch mit vielen Fußnoten, so dass interessierte Lesende auf der Suche nach weiterführender Literatur schnell fündig werden.
Vorgelesen von
Gianna
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