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Markus Orths: Tante Ernas Letzter Tanz

Mit „Tante Ernas Letzter Tanz“ zeigt sich Markus Orths von einer völlig neuen Seite. Zuletzt habe ich von ihm „Max“ bei einer Leserunde bei Lovelybooks gelesen und bei den Vorlesern besprochen (hier gehts zur Besprechung). Max ist ein ernsthafter Künstlerroman über das Leben und die wahnwitzige Zeit von Max Ernst. Tante Ernas letzter Tanz ist nun völlig anders, liebevoll, witzig, schnell, fast mit einer amerikanischen Screwball-Kömodie zu vergleichen. Dabei gibt es nur wenige Personen, diese sind jedoch alle fabelhaft und verrückt! 

Markus Orths: Tante Ernas letzter Tanz.
Roman // DTV // 2022
155 Seiten // 10,00 Euro // Hardcover

Der Erzähler Benno besucht seine alten Eltern in Niederkrüchten, was eindeutig im Rheinland liegt. Die Geschichte ist so voller rheinischen Humor und rheinischer Dialoge, die ich nach den vielen Jahren in Berlin beinahe vergessen hatte. Benno wird bei seiner Ankunft von seiner 80 Jahre alten Mutter am Bus abgeholt und nach einer innigen und zugleich flüchtigen Umarmung ist der Willkommenssatz der Mutter: „Und? Wie is et“. „In diesem Wie is et? liegt die ganze traurige Fröhlichkeit des Niederrheins“. Die Antwort darauf ist natürlich ein gemurmeltes „Mhm“. Das liest sich dann so:

„Und? Wie is et?“, fragt sie.
„Mhm“, sage ich. „Und bei euch?“
„Mhm“.
„Alles beim Alten?“
„Mhm“.
„Wie schön."


Aber alles ist nicht schön, denn Mutters beste Freundin Klärchen, deren Häuser mit einer Durchgangstür verbunden sind, will endlich ihre Tochter Sibille wiedersehen. Schließlich besucht Benno seine Eltern ja auch regelmäßig. Also haben die Freundinnen einen Plan ausgeheckt, dem Bennos Vater eher skeptisch gegenüber steht. Sie erklären die 99 jährige Tante Erna, die bei Klärchen wohnt, für tot. Dan muss Sibille doch nach Hause kommen! Geplant ist ein Abendessen in einem „Sterneschuppen“ zu viert, Bennos Mutter, Klärchen, Benno und Sibille. Da Tante Erna ja nicht wirklich gestorben ist, muss der Vater zurückbleiben und auf Tante Erna aufpassen. Gefahren wird natürlich mit Mutters geliebtem alten Käfer, indem sie sich auch am liebsten begraben lassen würde.

Sibille kommt tatsächlich nach Hause und wie es kommen muss, endet alles in einem großen lustigem Chaos. Das Sternerestaurant ist über die Gäste zumindest mild verwundert, Bennos Papa bekommt Besuch von seinem Freund Magolei, einem alten Bestatter, und Tante Erna zeigt es allen noch einmal.

Auf der Buchrückseite steht „Witzig, warmherzig und wild: eine Hommage an die Liebe, an das Leben und den Tod“ und das stimmt diesmal wirklich. Ich habe zuletzt eine Doku gesehen, wo Wikinger Boote mit ins Grab genommen haben. Warum sollte Mutter nicht in ihrem Käfer bestattet werden? 

Wir danken DTV für das Rezensionsexemplar.

Vorgelesen 
    von Gisela

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