29.10.2016:
Nach mehr als zwanzig Jahren kam ich wieder, das dritte Mal, in die USA. 9/11 und Vieles, was danach kam, hatte mich trotz meiner intensiven privaten und beruflichen Kontakte fern gehalten. Doch nun war es soweit. Ich würde nach Boston fliegen und von dort Richtung Süden und Südwesten fahren, um Freunde und Kollegen zu treffen und endlich ein paar Ortezu sehen, die schon lange auf meiner Wunschliste standen. Es waren weniger die großen Städte als vielmehr das Hinterland, das mich diesmal lockte.
Was auch Einfluß hatte, mehr als ich mir zuvor dachte, war der Endspurt der Präsidentenwahlen. Doch dazu später.
Boston kannte ich noch nicht. Ich wusste nur von den roten Backsteinbauten, den vielen Geigenbauern, dass die Stadt ein Musikzentrum ist, jede Menge Galerien und Museen besitzt, als einer der geistigen HotSpots Harvard beheimatet und leicht auch zu Fuß erkundbar ist. Für eine Europäerin, die sich Städte gern ergeht, ist das ein großes Plus.
Am zweiten Tag ging es daher in der Altstadt den Freedom Trail entlang, der die Geschichte und die politischen Folgen der Boston Tea Party veranschaulicht und die schönsten alten Häuser verbindet. Einer der Punkte hieß: Oldest Book Store Corner und ich freute mich schon auf einen Buchlanden mit Atmosphäre. Ha!!!!! Weit gefehlt! In dem Haus ist nun ein Mexican Grill untergebracht. Zwar ist die Form der Fenster samt ihren hölzernen Bänkern noch vorhanden, aber.... Im Nachbarhaus steht im Schaufenst ein Schild, dass sich ein Komittee gebildet hat, um das Book Store zurückzukaufen und wieder erstehen zu lassen. Aber das wird wohl noch dauern. Zu denken, dass hier Emerson und Thoreau und viele andere Größen ihre Bücher kauften, diskutierten und Stunden zwischen den Bücherregalen verbrachten – und nun gibt’s Gegrilltes.
Dafür gibt es eine wunderbare öffentliche Bücherei!
Man könnte die Newbury Street entlang gehen und die vielen kleinenBoutiquen bestaunen (allein die Schaufenster sind oft so witzig hergerichtet - und das lag nicht nur am nahenden Halloween) und plötzlich steht man auf dem Platz vor der Trinity Church, wo es immer wieder einen Bauernmarkt gibt (Bio ist in den USA teuer und die Präsentation wird mit viel Sorgfalt zelebriert); gegenüber ist ein riesiges Steingebäude, die Public Library.
Im Alten Teil sind wechselnde Ausstellungen zu bestimmten Themen. Gerade läuft ein Shakespeare Schwerpunkt, der ausgesprochen witzig und informativ ist, selbst für Anglisten und verschworene Fans.) Ein Garten, der an die Kreuzgänge Europas erinnert, verbindet den alten mit dem neuen Teil. Man muss sich nicht anmelden, um in Neuerscheinungen schmökern zu können. Fauteuils, gefüllte Regale, Computer, Film- und Musikabteilungen verführen dazu, hier lange zu bleiben, denn ein Café gibt es auch – vor allem fein, wenn draußen eisiger Regen durch die Straßen geblasen wird.
In Boston kann man eine Menge machen. Und vor allem ist die Nähe des Ozeans zu spüren. Aber in meinem Reisetagebuch wird es den Schwerpunkt Bücher und Bücherwelten geben und daher ist das hier nichts für Leser, die eine Auflistung von Sehenswürdigkeiten für eine 6-Tagesreise wünschen. Ich bin mehrere Wochen unterwegs. Und meine Welt hat mit SchriftstellerInnen, Musikern und Büchern zu tun. Also blieb ich drei Tage hier, um mich zu akklimatisieren und dann ging es nicht auf der Autobahn, sondern an der wunderbaren Route Nr. One die Küste entlang nach Süden.
Eure Beatrix Kramlovsky <3
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