Roman
Verbrecher Verlag // 2017168 Seiten // 20 Euro // Hardcover
Im Schwarzen Meer bei Pizunda, dem antiken Kolchos, ragt eine riesenhafte Skulptur aus dem Meer. Es ist die Medea von Kolchis, die dem untreuen wegsegelnden Janson nachweint und dann in ihrer maßlosen Wut ihre beiden kleinen Söhne ermordet. Aber die Aufmerksamkeit des Lesers richtet sich erst in zweiter Linie auf die Riesin, da sie von einem vielarmigen Staubsauger, dem Polyp Polymat umflogen wird. Erzählt wird die Geschichte von einem künstlichen Leser, den der reale Autor Wakusch sich auch ausgedacht hat. Und wieder einmal nimmt uns der deutsch-georgische Autor Giwi Margwelaschwili in seine fabelhafte Buchwelt mit. In jene Welt also, die wir als Leser bei der Lektüre eines Buches betreten und die ein zentrales Thema im Werk dieses Schriftstellers ausmacht.
Das ist am Anfang alles etwas verwirrend, aber Margwelaschwili schreibt so gut, dass man weiterlesen muss, um der Sache auf den Grund zu gehen. Der die Geschichte erzählende Wakusch, ist ein künstlicher Leser, der auftauchen muss, wenn eine Geschichte keine realen Leser mehr findet. Sonst müsste nämlich die Hauptfigur des Buches, die Buchfigur Wakusch an Leseschwindsucht sterben.
Der Polyp Polymat wird vom realen Autor der Wakuschgeschichten Wakusch, entlang der Schwarzmeerküste dirigiert. Er soll am Strand die Atmosphäre und die dort Urlaub machenden Menschen von ihren weltanschaulich-künstlichen Ideologien reinigen. Die saugt der vielarmige Staubsauger nämlich einfach auf. Unser künstliche Lese-Wakusch ist davon gar nicht erbaut. Er hat schon genug damit zu tun, die Buchfigur Wakusch am Leben zu erhalten und kann sich nicht auch noch um den Polypen kümmern. Vielmehr sieht er in dem Polypen sogar den Schuldigen, warum keine Leser mehr die Wakusch-Geschichten lesen wollen. Dem widerspricht natürlich der reale Wakusch-Autor, denn er verfolgt ein eigens Ziel mit dem Polypen und der Medea.
Könnte der Polyp auch die Medea von ihrer Wut reinigen und was würde passieren, wenn sie stattdessen das Buch von Christa Wolf über die Medea lesen würde? Denn mit diesem Buch treibt sich die Buchfigur Wakusch gerade am Strand in der Nähe der Medea herum. Welches Spiel treibt der reale Autor Wakusch mit seinen Figuren?
Die Medea von Kolchis in Kolchos ist ein verschmitzt vergnügter Roman, der mit Identitäten, Ideologien und Erzählebenen spielt und immer wieder auf eine Lenin- und Stalinistische Sowjetunion Bezug nimmt.
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