The Western Wind ist ein Buch, über das ich noch lange nachgedacht habe.
Paperback // 298 Seiten // 8,99 Pfund
Es spielt im 15. Jahrhundert in Oakham, einer hundert Seelen Gemeinde in Sommerset. Die nächst größere Stadt ist Bourne, aber Oakham ist ein einsamer, von einem wilden Fluss abgeschnittener, rückständiger Ort. Zwei Versuche eine Brücke über den Fluss zu bauen und Oakham mit der Welt zu verbinden, sind schon gescheitert. Die abergläubischen Dorfbewohner beginnen zu glauben, dass Gott keine Brücke will. Während die anderen Orte zu prosperieren beginnen, setzt der Landlord Townshend von Oakham wider dem Rat des Pfarrers auf Milchwirtschaft. Und wird immer ärmer, genauso wie der ganze Ort. Als am Karnevalsamstag ein toter Mann im Fluss treibend gesehen wird, scheint das Schicksal des Ortes besiegelt. Denn Thomas Newmann, ein reicher Mann aus dem Ort, dem alle zu Dank verpflichtet sind, ist verschwunden.
Der Dean, Vorgesetzter des Pfarrers, erscheint in Oakham, um den Tod zu untersuchen. Und auch dem Dean kommt Oakham wie ein Ort voller Wilder und Ausgestoßener vor, quasi der Vorplatz zur Hölle. Samantha Harvey erzählt die Geschichte aus der Sicht des Pfarrers John Reve, der selber auch die Hauptperson ist. Denn der Dean hat klar gemacht, bis Aschermittwoch muss ein Schuldiger gefunden werden und der muss brennen.
Das Buch beginnt am Karnevaldienstag, Pancake Day oder Shrove Tuesday in England. Am Morgen taucht die Leiche zum zweiten Mal auf, Henry Carter sieht sie im Fluß. Er weckt den Pfarrer, der im Beichtstuhl eingeschlafen ist, um ihn zum Fluß zu holen. Vielleicht gelingt es doch noch dem Toten die letzte Salbung zu geben und ihm so den Weg hinüber zu erleichtern. Als die beiden am Fluß ankommen, ist die Leiche verschwunden, nur Newmanns T-Shirt hängt verfangen an einem Baum im Wasser. Harvey erzählt die Geschichte dann rückwärts bis zum Karnevalssamstag und der Leser bekommt immer mehr Einblicke in das Leben und die Gebräuche der Dorfbewohner. Das ist sehr geschickt gemacht und gar nicht so einfach: wenn der Pfarrer z.B. über die Ergebnisse am Dienstag berichtet, weiss er natürlich schon, was die vorangegangen Tage passiert ist, darf aber keinen Bezug darauf nehmen. So klärt sich zwar am Ende der Tod des Thomas Newmann, nicht aber wie es weiter geht, da das erste Kapitel des Buches am Abend des Karnevaldienstag endet.
In die spannende Geschichte hat Harvey die religiöse Auseinandersetzung zwischen den Freunden und geistigen Rivalen Thomas Newmann und Pfarrer John Reve eingeflochten. Reve unterliegt noch ganz dem strengen katholischen Denken. Als große Erneuerung hat er jedoch den Beichtstuhl eingeführt. Während vorher die Beichtenden/Bekennenden vor seinen Füssen knien mussten und die ganze Gemeinde die Beichte mitanhören konnte, verleiht der improvisierte Beichtstuhl wenigstens etwas Anonymität. Newmann, der von einer Pilgereise nach Rom zurückkam, brachte die Idee des Beichtstuhls mit. Gleichzeitig jedoch auch ketzerisches Gedankengut, da er jetzt glaubt, dass es zwischen dem Gläubigen und Gott nicht eines Pfarrers der Vermittlung bedarf. Jeder könne sich unmittelbar an Gott wenden.
Mit The Western Wind Harvey ist eine packende und wilde Zeitreise ins Mittelalter gelungen, in der es um Tod und Leben geht.
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