Direkt zum Hauptbereich

Warum Tierwohl Jede:n Etwas Angeht

Henry Mance ist Journalist und Autor. Sobald man das Sachbuch aufschlägt, sieht man, dass Mance sich intensiv mit dem Thema Tierwohl und Naturschutz befasst hat. Um diesem umfassenden Thema gerecht zu werden, beleuchtet Mance es von allen Seiten und sammelt vielfältige Informationen. Hierbei gibt er einen guten Überblick über die verschiedenen miteinander verbundenen Aspekte, wobei er stets sachlich bleibt und sich nicht von Emotionen mitreißen lässt. 

Henry Mance: Mit Tieren leben. Warum wir das Verhältnis zwischen Mensch und Tier neu definieren müssen.
Sachbuch // Original: How to love animals (2021)
Kein & Aber // 2021 // Aus dem Englischen von Yamin von Rauch
480 Seiten // 27,00 Euro // Hardcover mit Schutzumschlag 

Mance besucht angeblich „artgerechte“ Schlachthöfe und schreibt über die grausame Behandlung von Kühen, Schweinen und Hühnern. Aber die Tiere in der „Milchwirtschaft“ werden auch nicht besser als in der „Fleischwirtschaft“ behandelt: „Aber wenn wir Tiere wirklich lieben, können wir die moderne Viehwirtschaft nicht akzeptieren“. Er beschäftigt sich mit der Verschmutzung der Ozeane und den Praktiken von Fischerei und Fischfarmen, wo Fische oftmals nicht als Lebewesen wahrgenommen werden. Zur Auslotung der Situation wild lebender Tiere spricht er mit Jägern und denkt über ein ethnisches Jagen nach, wo Natur und Tiere wertgeschätzt werden. Aber auch an den Plätzen, wo wir vordergründig Tiere lieben und schützen, zeigt Mance die Wirklichkeit auf. Dazu gehören insbesondere Zoos, die die Tiere unnatürlich halten und wo diese oftmals nur eine geringe Lebenserwartung haben.

Zwar sind Klimaschutz und Klimawandel derzeit in aller Munde und werden politisch breit diskutiert. Das Thema Tierschutz kommt dabei jedoch zumeist nicht vor, obwohl diese Themen auch eng miteinander verwoben sind. So beleuchtet Mance, warum Tierfreund:innen auch etwas gegen den Klimawandel unternehmen müssten: Der Klimawandel zwinge den Tieren unmögliche Lebensbedingungen auf, was Mance beispielsweise am Verschwinden des Regenwaldes und der Korallenriffe aufzeigt.

Mich persönlich hat schon seit einiger Zeit der Begriff "Nutztiere" gestört. Wer bestimmt denn, wann ein Tier ein bloßes "Nutztier" ist, dessen Bedürfnisse und Gefühle hinten angestellt werden und welche Tiere wir süß finden, lieb haben und bei einigen sogar in unseren Betten schlafen? Das bedeutet nicht, dass ich mit einem Schwein oder einem Rind bevorzugt mein Bett teilen würde. Doch Mance zeigt eindringlich auf, dass es hier nicht darum geht, mehr "Komfort" für Tiere zu schaffen, sondern strukturelles Leid für Lebewesen, welche genauso denken und fühlen können wie wir - auch Fische, denen Gefühle abgesprochen wurden, haben durchaus Empfindungen - zu beenden. Daher beleuchtet Mance auch Alternativen zu tierischen Produkten, sieht sich in der veganen Gastronomie um und berichtet von der immer beliebter werdenden Kampagne „Veganuary“, nach der man einen Monat lang vegan leben soll. Er beschäftigt sich mit dem Thema Fleischersatz, z.B. indem Fleisch aus Stammzellen gezüchtet werden soll (In-vitro-Fleisch, Clean Meat) oder pflanzlich ersetzt wird wie bei Impossible Foods und Beyond Meat.

Neben den sehr vielen interessanten Aspekten, war für mich besonders die Frage relevant, was in einer veganen Welt mit den sogenannten Nutztieren passiert. Müssen wir auch ein Verschwinden von Kühen, Schafen, Ziegen, Schweinen und Hühnern befürchten? Mance Antwort darauf ist, dass wir keine Milliarden von Schafe, Schweinen und Kühen brauchen. Zuchttiere hätte es in der Natur nie gegeben, unsere Ökosysteme seien auf diese domestizierten Tiere nicht angewiesen. Ohne Massentierhaltung könnten wir uns auf Tiere, die in der freien Wildbahn leben können, fokussieren. Sehr interessant fand ich in diesem Abschnitt, als Mance von Projekten berichtete, bei denen hoch subventionierte Tierfarmen in Bereiche für Wildtiere umgewandelt werden. Aber auch im täglichen Leben sind die Wildtiere um uns herum so beispielsweise Frösche, Krähen, Libellen und Füchse. Nach ihnen werde ich in nächster Zeit mehr Ausschau halten. 

An Mit Tieren leben hat Mance sein ganzes Wissen und jahrelange Arbeit und Forschung abgeben. Einige der Themen, die er hier beleuchtet, hätten genug Stoff für ein eigenes Buch gegeben. Damit bildet das Sachbuch eine große Quellensammlung mit vielen Hinweisen und Anregungen, wobei Mance auch Vorschläge unterbreitet, was man als einzelne Person tun kann, er richtet sich aber auch an die Gesellschaft. 

Wir danken Kein & Aber für das Rezensionsexemplar.

Vorgelesen von 
    Gisela 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Andreas Lehmann: Schwarz auf Weiss

Wieder hat der Karl Rauch Verlag es geschafft mich bereits mit der Cover-Gestaltung zu überzeugen. Ich wünschte alle meine Bücher würden so aussehen! Karl Rauch Verlag // 2021 176 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover Als Martin Oppenländer erkennt wie sinnlos und monoton seine Arbeit letztlich ist, will er nicht länger von ihr abhängig sein. Kurzerhand macht er sich selbstständig. Doch die erhoffte Freiheit stellt sich nicht ein als die Welt auf einmal still steht. Da keine Aufträge hereinkommen, bleibt er in der Abhängigkeit, doch dieses mal nicht von einem Arbeitgeber, sondern vom Staat. Sein Leben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein, ohne Alltag mit einem Job, den er nicht ausüben kann. In dieses Chaos hinein erreicht ihn ein Anruf aus der Vergangenheit - von einer Frau, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Als Martin ihr dies gesteht, ist sie zunächst nicht sonderlich erbaut darüber. Trotzdem ruft sie wieder an. Und während er versucht ein Bild von dieser Frau zusammen

Miika Nousiainen: Quality Time

Ein sehr realitätsnaher, witziger Roman, in dem Toleranz gelebt wird und nicht mit der Moralkeule eingefordert. Sami, Markus, Asta, Nojonen, Hanna; fünf Menschen in Helsinki geben uns einen Einblick in ihre gegenwärtige Lebenssituation und Gefühlswelt. Sie sind eng miteinander verbunden, teils Freunde, teils Geschwister, und Asta ist die Mutter von Sami und Hanna.  Miika Nousiainen: Quality Time Roman // Original: Pintaremontti  Kein & Aber // 2021 // Übersetzt aus dem Finnischen von Elina Kritzokat  336 Seiten // 22,00 Euro // Harcover Miika Nousianinen erzählt aus der Ich-Perspektive des jeweiligen Protagonisten, von Hannas unerfüllten Kinderwunsch, Samis vergeblichen Versuchen die Frau fürs Leben und zur Familiengründung zu finden und von Markus Problemen als alleinerziehender Vater zwei kleiner Töchter. Nojonen hat immer nur seine Eltern gepflegt, erst den Vater, dann die Mutter. Nach deren Tod fällt er in ein tiefes Loch. Asta hat lange unter ihrem herrischem Ehemann gelitten

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020 160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein: Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine g