Roman // Orignial: Dear Mrs Bird // 2018
Kindler Rowohlt Verlag // 2018 // Aus dem Englischen von Silke Jellinghaus
416 Seiten // 20 Euro // Hardcover
Ihr Bruder und ihr Verlobter sind an der Front, ihre beste Freundin Bunty arbeitet für das War Office und deren Verlobter ist bei der Feuerwehr. Alle Freunde um Emmy herum leisten ihren Beitrag zum Krieg und wenn sie nicht kämpfen, bilden Sie die Heimatfront. Emmy reicht es nicht, zuhause in London die Feuerwehr an den Telefonen zu unterstützen — sie will selbst mitten ins Geschehen und Kriegsberichterstatterin werden. Als sie in der Zeitung eine Stellenanzeige als Teilzeit-Gehilfin für die Launceston Press entdeckt, ist Emmy sich sicher, ihren Traumberuf gefunden zu haben:
Aber hier war nun meine Gelegenheit.
Ich las die Anzeige erneut und fragte mich, ob ich den Anforderungen wohl gerecht wurde:
Fähigkeit — Der Inbegriff meiner selbst, auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, wessen ich fähig sein sollte.
Begeisterung — Würde ich wohl sagen. Ich hätte im Bus beinahe wie eine Geistesgestörte herumgeschrien.
Fleiß — Ich würde im Büro auf dem Boden schlafen, wenn das nötig war.
So weit, so gut. Auch das Bewerbungsgespräch bei Mr. Collins, dem leitenden Redakteur für Kultur, läuft wie geschmiert und kurz darauf hat Emmy den Job. Sie träumt bereits von ihrer großen Karriere als Kriegsberichterstatterin, auch wenn ihr bewusst ist, dass sie nur mit viel Durchhaltevermögen und Fleiß ihren Traum erreichen kann.
Doch ihr erster Arbeitstag verläuft anders als geplant. Nachdem Emmy erkennt, dass sie weder Reporter unterstützen, geschweige denn eigene Kriegsreportagen verfassen wird, sondern lediglich eine Schreibkraft ist, erklärt ihr Mrs. Bird, worin ihre Hauptaufgabe bestehen wird: Sie soll die Briefe, die für die Seite Henrietta Hilft eingehen, sortieren und abtippen. Dabei soll sie alle Briefe, die von Unerquicklichkeiten handeln, direkt in den Papierkorb befördern. Jedoch scheint Mrs Bird ein ganz eigenes Verständnis von unerquicklich zu haben, so dass die Liste von Begriffen, die nicht in einem erquicklichen Brief verwendet werden dürfen, ellenlang erscheint. Von ersten Küssen vor der Ehe bis zu Beziehungsproblemen jeder Art - alles landet im Papierkorb.
Und dafür hat sie ihren gut bezahlten Job im Büro aufgegeben, um einer Dame mit einem veralteten und rückständigen Moralkompass die Post zu sortieren? Emmy ist einigermaßen schockiert und sieht ihre Karriere als Journalistin davon ziehen.
Ich fragte mich, was sie [Mrs. Bird] zu meinem Problem sagen würde:
Liebe Mrs Bird,
ich habe aus Versehen eine ungeeignete Stelle angenommen, da ich beim Bewerbungsgespräch nicht richtig zugehört habe.
Nun scheine ich auf einem sinkenden Schiff zu arbeiten und für eine Dame Briefe zu tippen, die durch solides Mauerwerk hindurchbrüllen kann. War ich ein entsetzlicher Dummkopf? Bitte sagen Sie mir, was ich tun soll.
Ihre
Sonst-nicht-so-Dämlich
Ich stellte mir die Antwort vor:
Liebe Dämlich,
das ist ganz und gar Ihre eigene Schuld. Ich schlage vor, Sie hören auf zu jammern und machen tapfer Ihre Arbeit, wie es Ihre Pflicht ist. Ihre
Henrietta Bird
Ein Glück versteht sie sich mit Mr. Collins, Kathleen, mit der sie sich ein Büro teilt, und den anderen Mitarbeitern. Doch schon nach kurzer Zeit bekommt Emmy Mitleid mit den Leserinnen, die sich an die Zeitschrift wenden. Wenn jemand keinen anderen zum reden oder als Vertrauensperson hat, sodass er einen Rat bei einer Unbekannten sucht, kann man diesen Menschen nicht auch noch die letzte Hoffnung auf Hilfe verwehren. So fasst Emmy den Beschluss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Denn wenn Mrs Bird ihren Leserinnen nicht helfen möchte, dann tut es Emmy.
Bereits durch die zwei kurzen Textauszüge erkennt man den aufgeweckten, humorvollen Stil, mit dem A. J. Pearce von Emmys Leben berichtet. Ich konnte mich sofort in Emmy hineinversetzen und habe mit ihr mitgelitten und vor allem mitgelacht. Denn die tapfere, selbstbewusste Art der Frauen, die dem Leser in Liebe Mrs. Bird begegnen, ist herzergreifend. Sie alle befinden sich in einer schwierigen Lage, von allen sind männliche Verwandte an der Front, und sie müssen mit ansehen wie machtlos sie letztendlich gegen die Schwärme von Bomben sind, die nachts über sie hereinbrechen. Doch auch wenn jeden Tag aufs neue die Gefahr besteht, dass sie plötzlich mit nichts mehr da stehen und ihr vorheriges Leben ausgebombt ist, bleiben sie tapfer und versuchen beispielsweise mit Witzen über Hitler ihren Lebensmut aufrechtzuerhalten.
Gerade weil Emmy sich genauso fühlt wie die Leserinnen, die sich an die Kummerkastenseite von Mrs Bird wenden, hat sie das Gefühl, dass sie diesen Frauen antworten muss und ihnen das Gefühl geben, nicht allein zu sein.
Auch das Nachwort von AJ Pearce hat mich berührt. Darin schreibt die Autorin: „…meine Bewunderung für die Frauen aus dieser Zeit hört nie auf zu wachsen. Für unsere Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und Freundinnen, von denen hoffentlich manche sogar Emmys und Buntys Geschichte lesen und mögen werden. Es ist ein Privileg, Einblick in ihre Welt zu nehmen und sich in Erinnerung zu rufen, was für unglaubliche Frauen und Mädchen sie alle waren.“ Dieser Einblick ist AJ Pearce auf jeden Fall sehr gut gelungen.
Wir danken dem Kindler Verlag für das Rezensionsexemplar.
Kindler Rowohlt Verlag // 2018 // Aus dem Englischen von Silke Jellinghaus
416 Seiten // 20 Euro // Hardcover
Ihr Bruder und ihr Verlobter sind an der Front, ihre beste Freundin Bunty arbeitet für das War Office und deren Verlobter ist bei der Feuerwehr. Alle Freunde um Emmy herum leisten ihren Beitrag zum Krieg und wenn sie nicht kämpfen, bilden Sie die Heimatfront. Emmy reicht es nicht, zuhause in London die Feuerwehr an den Telefonen zu unterstützen — sie will selbst mitten ins Geschehen und Kriegsberichterstatterin werden. Als sie in der Zeitung eine Stellenanzeige als Teilzeit-Gehilfin für die Launceston Press entdeckt, ist Emmy sich sicher, ihren Traumberuf gefunden zu haben:
Aber hier war nun meine Gelegenheit.
Ich las die Anzeige erneut und fragte mich, ob ich den Anforderungen wohl gerecht wurde:
Fähigkeit — Der Inbegriff meiner selbst, auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, wessen ich fähig sein sollte.
Begeisterung — Würde ich wohl sagen. Ich hätte im Bus beinahe wie eine Geistesgestörte herumgeschrien.
Fleiß — Ich würde im Büro auf dem Boden schlafen, wenn das nötig war.
So weit, so gut. Auch das Bewerbungsgespräch bei Mr. Collins, dem leitenden Redakteur für Kultur, läuft wie geschmiert und kurz darauf hat Emmy den Job. Sie träumt bereits von ihrer großen Karriere als Kriegsberichterstatterin, auch wenn ihr bewusst ist, dass sie nur mit viel Durchhaltevermögen und Fleiß ihren Traum erreichen kann.
Doch ihr erster Arbeitstag verläuft anders als geplant. Nachdem Emmy erkennt, dass sie weder Reporter unterstützen, geschweige denn eigene Kriegsreportagen verfassen wird, sondern lediglich eine Schreibkraft ist, erklärt ihr Mrs. Bird, worin ihre Hauptaufgabe bestehen wird: Sie soll die Briefe, die für die Seite Henrietta Hilft eingehen, sortieren und abtippen. Dabei soll sie alle Briefe, die von Unerquicklichkeiten handeln, direkt in den Papierkorb befördern. Jedoch scheint Mrs Bird ein ganz eigenes Verständnis von unerquicklich zu haben, so dass die Liste von Begriffen, die nicht in einem erquicklichen Brief verwendet werden dürfen, ellenlang erscheint. Von ersten Küssen vor der Ehe bis zu Beziehungsproblemen jeder Art - alles landet im Papierkorb.
Und dafür hat sie ihren gut bezahlten Job im Büro aufgegeben, um einer Dame mit einem veralteten und rückständigen Moralkompass die Post zu sortieren? Emmy ist einigermaßen schockiert und sieht ihre Karriere als Journalistin davon ziehen.
Ich fragte mich, was sie [Mrs. Bird] zu meinem Problem sagen würde:
Liebe Mrs Bird,
ich habe aus Versehen eine ungeeignete Stelle angenommen, da ich beim Bewerbungsgespräch nicht richtig zugehört habe.
Nun scheine ich auf einem sinkenden Schiff zu arbeiten und für eine Dame Briefe zu tippen, die durch solides Mauerwerk hindurchbrüllen kann. War ich ein entsetzlicher Dummkopf? Bitte sagen Sie mir, was ich tun soll.
Ihre
Sonst-nicht-so-Dämlich
Ich stellte mir die Antwort vor:
Liebe Dämlich,
das ist ganz und gar Ihre eigene Schuld. Ich schlage vor, Sie hören auf zu jammern und machen tapfer Ihre Arbeit, wie es Ihre Pflicht ist. Ihre
Henrietta Bird
Ein Glück versteht sie sich mit Mr. Collins, Kathleen, mit der sie sich ein Büro teilt, und den anderen Mitarbeitern. Doch schon nach kurzer Zeit bekommt Emmy Mitleid mit den Leserinnen, die sich an die Zeitschrift wenden. Wenn jemand keinen anderen zum reden oder als Vertrauensperson hat, sodass er einen Rat bei einer Unbekannten sucht, kann man diesen Menschen nicht auch noch die letzte Hoffnung auf Hilfe verwehren. So fasst Emmy den Beschluss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Denn wenn Mrs Bird ihren Leserinnen nicht helfen möchte, dann tut es Emmy.
Bereits durch die zwei kurzen Textauszüge erkennt man den aufgeweckten, humorvollen Stil, mit dem A. J. Pearce von Emmys Leben berichtet. Ich konnte mich sofort in Emmy hineinversetzen und habe mit ihr mitgelitten und vor allem mitgelacht. Denn die tapfere, selbstbewusste Art der Frauen, die dem Leser in Liebe Mrs. Bird begegnen, ist herzergreifend. Sie alle befinden sich in einer schwierigen Lage, von allen sind männliche Verwandte an der Front, und sie müssen mit ansehen wie machtlos sie letztendlich gegen die Schwärme von Bomben sind, die nachts über sie hereinbrechen. Doch auch wenn jeden Tag aufs neue die Gefahr besteht, dass sie plötzlich mit nichts mehr da stehen und ihr vorheriges Leben ausgebombt ist, bleiben sie tapfer und versuchen beispielsweise mit Witzen über Hitler ihren Lebensmut aufrechtzuerhalten.
Gerade weil Emmy sich genauso fühlt wie die Leserinnen, die sich an die Kummerkastenseite von Mrs Bird wenden, hat sie das Gefühl, dass sie diesen Frauen antworten muss und ihnen das Gefühl geben, nicht allein zu sein.
Auch das Nachwort von AJ Pearce hat mich berührt. Darin schreibt die Autorin: „…meine Bewunderung für die Frauen aus dieser Zeit hört nie auf zu wachsen. Für unsere Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und Freundinnen, von denen hoffentlich manche sogar Emmys und Buntys Geschichte lesen und mögen werden. Es ist ein Privileg, Einblick in ihre Welt zu nehmen und sich in Erinnerung zu rufen, was für unglaubliche Frauen und Mädchen sie alle waren.“ Dieser Einblick ist AJ Pearce auf jeden Fall sehr gut gelungen.
Wir danken dem Kindler Verlag für das Rezensionsexemplar.
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