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EM-Special: Klapperzahns Wunderelf - Eduard Bass

Hallo :) 

Juhu, die Deutschen haben es ins Achtelfinale geschafft! Gegen die Slowakei erwarten wir ein: 

Dichter: 2:1 für Deutschland
Denker: 1:1 und im Elfmeterschießen ein Sieg für Deutschland

Dazu stellen wir euch passend ein Fußballbuch vom Prager Schriftsteller Eduard Bass vor: 

Original: Klapzubova jedenáctka, 1922 (Roman)



"Es war einmal..." (Byl jednou jeden...), mit dieser traditionellen Märchenformel beginnt Eduard Bass` Buch "Klapperzahns Wunderelf. Erzählung für kleine und große Jungs". Und es ist auch wirklich ein wunderschönes Fußballmärchen, fast wie mit dem "Deutschen Sommermärchen" 2006. 

Allerdings schrieb Eduard Bass das Buch 1922, womit Klapperzahns Wunderelf zu den ersten Büchern der Weltliteratur gehört, die sich mit dem Thema Fußball befassen. Der Prager Schriftsteller, Journalist und Kabarettist Eduard Bass wurde am Neujahrtag 1888 als Sohn einer ursprünglich deutschböhmischen Familie, die nun zur tschechische Nation zählte, geboren. Nachdem er in Schwabing das Kabarett kennengelernt hatte, wollte er nach seiner Rückkehr nach Prag nicht weiter in der Bürstenfabrik seines Vaters arbeiten. Bald gehörte er zu einer Gruppe von Literaten und Bohemiens, die sich im legendären Kaffeehaus Bilá Labut auf verfasste Couplets, schrieb für humoristische Zeitschriften und wr sogar einige Zeit Kabarett- und Theaterdirektor, bevor er zur führenden tschechischen Zeitung ging. Während der deutschen Besetzung konnte Eduard Bass weiter schreiben und brachte 1941 seine große Romanchronik Circus Humberto heraus. Er starb 1946 in Prag.

Bass vielseitige und humoristische Begabung spiegelt sich in Klapperzahns Wunderelf wider. Es ist eine sehr vielschichtige Geschichte für "große und kleine Jungs", die man als schöne, phantasievolle Fußballerzählung wie heutzutage "Die Teufelskicker" oder "Die wilden Kerle" lesen kann. 

Sie gibt aber auch einen guten Einblick in die tschechische Fußballgeschichte und die Anfänge des Fußballs. Und es in in Namen und Andeutungen ein politisches Buch - eben auch für die großen Jungs. Die Bezüge werden großartig im Nachwort von Stefan Zwicker und in den Erläuterungen erklärt, und daraus stammt auch mein Hintergrundwissen um den tschechischen Fußball der 20er Jahren, seine führenden Vereine Salvia und Sparta Prag, und die großen tschechischen Fußballspieler Karel Pešek-Kádá und Jan Panik. 


Die Geschichte spielt in Nieder-Buckwitz einem Dorf in der neugegründeten Tschechoslowakei: "Es war einmal ein armer Häusler, der hieß Klapperzahn und hatte elf Söhne." Und da er in seiner Armut nicht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte, gründete er eine Fußballmannschaft. Hier sieht man schon, dass es sich beim alten Klapperzahn um einen sehr klugen Mann handeln muss, denn wie beschäftigt man Jungen und Männer besser als mit einem Ball. Klapperzahn verkauft die Ziege und kauft dafür zwei Bälle. Fortan stehen die Jungen um fünf Uhr morgens auf und beginnen mit dem Training. Sie lernen nicht nur alle Arten von Spielzügen und schießen mit Picke, Spann, Schienbein, Innenrist und Hacken. Sie machen auch Lauf- und Springübungen, üben Kugelstoßen, Speer- und Diskusswerfen und feste Schultern zu bekommen, Ringen für einen festen Körper und machen Atemübungen, denn "ohne langen Atem und ein ruhiges Herz sei jede Übung mörderisch". Sie trainieren drei Jahre so, Tag für Tag, dann beginnt ihr großer Siegeszug. Zuerst in der dritten Liga des Mittelböhmischen Verbandes steigen aber schnell in die zweite Klasse auf und besiegen Sparta im Semifinale "Sparta 6:0 geschlagen. Kad`a abgemeldet" und auf der Letnà auch Slavia. 

Der Erfolg von Klapperzahns Elf macht natürlich schnell die Runde und ihnen werden Spiele im Ausland angeboten. In Berlin gewinnen sie 12:0 und in Mailand 6:0. Der FC Barcelona allersings beschließt zur Vorbeugung Klapperzahns Mannschaft schnell umzuhauen und lahmzulegen. Gegen diese Unsportlichkeit steckt Klapperzahn seine Mannschaft in aufblasbare Gummianzüge, so dass die Spanier den Klapperzähnen nicht zu Leibe rücken können und "als die Sonne unterging, hatten die Klapperzähne 31:0 gesiegt", während auf den Tribünen "Zweihundertfünfundsiebzig Spanier vor Wut geplatzt" waren. Es ist sehr lustig, wie Bass hier mit den Stereotypen und Vorurteilen über Nationalcharaktere spielt. Die Engländer dagegen kommen bei ihm gut weg, sie sind Gentlemen, die das Fair-Play lieben. Und nachdem die Klapperzähne den FC Huddersfield 4:0 geschlagen haben, nimmt der anwesende König den alten Klapperzahn für ein Gespräch zur Seite. Jetzt wird sogar der Prinz von Wales offizieller Ersatzmann bei der Klapperzahn Ef und fährt mit dem Europameister zurück nach Nieder-Buchwitz. Als er später den Königsthron übernimmt, ist seine wundervolle Antrittsrede dann auch mit technischen Fußballbegriffen gespickt. 

Doch die Klapperzähne beschließen die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen und das Fußballfeld umzupflügen als ein kleiner Junge sie darauf hinweist, dass er und seine Mannschaft mit ihnen spielen wolle, da die Klapperzähne wollen sich aber nicht vermarkten lassen, aber bevor sie ganz mit dem Fußball aufhören, steht noch ein letztes großes Spiel an: Sie fahren nach Australien um in Sydney um die Weltmeisterschaft zu spielen, quasi ein Spiel des neuen gegen den alten Kontinent. 


Eduard Bass` Buch ist ein wundervolles Fußballbuch quasi bevor es Fußballbücher überhaupt gab. Das tolle Titelbild ist von Walter Trier gezeichnet und die schönen Illustrationen im Buch von Josef Capek. Über beide Künstler sowie über die Besonderheiten Basses Buch ins deutsche zu übersetzen, gibt es wertvolle und unterhaltende Ausführungen im Anhang. 


Arco ORCA, 2007; übersetzt von Christoph Haacker 
Seiten 170, 16 Euro

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