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Der anatolische Panther - André Pilz

[Krimi]



Tarik Yilmaz lebt in den Tag hinein. Er galt als eines der größten Nachwuchstalenten bei 1860 München. Nachdem er vom FC St.Pauli gelinkt wurde und es mit dem neuen Trainer Probleme gab, zog er sich aus dem Sportgeschäft zurück. Der Traum vom Fußballprofi bei den Löwen ist aus, er vertraut dem Business nicht mehr, auch bei seinem Schulabschluss wird er übers Ohr gehauen.
So gibt er sich mit seinem Leben als "kleiner Mann" - als von denen da oben Unterdrückter - zufrieden, kümmert sich um seinen schwerkranken Großvater und zieht abends mit seinen Freunden um den Block, Doogie, Yiannis und Sugo-Joe. Die drei könnten unterschiedlicher nicht sein, doch halten sie zusammen und schlagen sich als Kleinganoven durch das harte Pflaster Giesings.



Eines Tages bekommt Tarik Besuch von Beer, einem knallharten Polizisten. Wegen eines Einbruches, an dem Tarik vermeintlich beteiligt sein soll, stellt er ihn vor die Wahl: Entweder sitzt der Türke seine Bewährungsstrafe für 3 Jahre in der JVA ab, oder er schleicht sich bei dem unter Terrorverdacht stehenden Hassprediger Abdelkader Al-Anbaris ein.
Tarik muss sich um seinen Baba kümmern, weshalb er sich kurzerhand auf den Deal einlässt.

Zunächst läuft alles nach Plan, der islamistische Derwisch nimmt Tarik herzlich in seiner Anhängerschaft auf und Beer verlangt von ihm, in die Moschee einzubrechen, den Safe auszuräumen und nach einem möglichen Kommunikationsweg zwischen Al-Anbaris und seinen Schläfern zu suchen. Doch alles läuft anders als gedacht und plötzlich ist Tarik ein Gejagter - von den Anhängern des Derwischs und der Polizei verfolgt.

Tariks Weg führt ihn bis nach Österreich, wo er sich in Bregenz nicht nur seinen Verfolgern sondern auch sich selbst stellen muss. Sein ganzes Leben hat er vor den Großen kleinbeigegeben, sich immer wieder verstellt.
Für seine Freundin Nteba ist er Chachapoya,
Für seine Jungs ist er einer von ihnen - ein Nebelkrieger - oder auch Mr. Durex,
Für Beer ist er der Kiffer-Tarik und  für den Derwisch einer seiner Anhänger.
Doch wer ist Tarik wirklich? Er ist der anatolische Panther.


André Pilz setzt sich in seinem Meisterwerk mit vielen sozialkritischen Fragen auseinander. Jugendkriminalität, Ausländerfeindlichkeit, Immigrationsprobleme, Glaubenskonflikte und Terrorismus.
Meiner Meinung nach ist Pilz vor allem die Differenzierung zwischen dem Islam und den islamistischen Terroristen gut gelungen. Hierfür ist Tariks Großvater das beste Beispiel. Er ist gläubiger Moslem, betet täglich, doch lehnt er die Scharia und den Hassprediger ab. Tarik spricht oft davon, dass er einen anderen Gott Abdelkaders Anhänger habe.

Doch wie man mit den Terroristen und der Terror-Angst, die mittlerweile in Deutschland und auch sonst überall herrscht, umgeht, ist eine gewaltige Aufgabe. Viel zu spät wurde die Gefahr erkannt, sodass sie nun mit voreiligen Aktionen auch nicht gebannt werden kann. Doch Beer hat einen meiner Meinung nach guten Vergleich gebracht: "Was tust du gegen Männer, denen das eigene Leben nichts wer ist? [...] Man kann sich nicht mit Kannibalen an einen Tisch setzen, in der Hoffnung, man würde nicht verspeist werden."

Der anatolische Panther hat mich zwiegespalten. Jede Seite hat mich in seinen Bann gezogen und ich hatte viel Spaß beim lesen. Auch wenn die Geschichte von Tarik nur eine Geschichte ist, steckt so viel Wahrheit in ihr, so viel Verzweiflung und Rastlosigkeit eines Jugendlichen, aber auch so viel Hoffnung und Lebensfreude.
Für mich hat André Pilz einen knallharten Kriminalroman geschaffen, der mich auch nachdem ich ihn ausgelesen habe, noch immer in seinen Fängen hält.


Haymon Taschenbuch, 2016
Seiten 540, Euro 12,95

Für das Rezensionsexemplar danken wir: 

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