Direkt zum Hauptbereich

Takis Würger: Der Club

Roman // Kein & Aber AG Zürich // 2017
240 Seiten // 22 Euro // Hardcover

Nachdem Hans Eltern verstorben sind, wird der Waise auf ein Internat im Bayrischen Wald geschickt. Er ist ein Außenseiter, ruhig und in sich gekehrt und die anderen Jungs verspotten ihn. Hans ist einsam. Ihm bleibt das Boxen und die Ausflüge auf den höchsten Turm des Kollegs, bei denen er sich wünscht, dass seine Tante Alex ihn in einem Wagen abholen und zu sich nehmen wird.
Diese Tante bittet ihn nach seinem Abitur um seine Hilfe und unterbreitet ihm ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Hans erhält ein Stipendium an der Universität in Cambridge, wo Alex als Professorin für Kunstgeschichte arbeitet, wenn er sich im Gegenzug in einer renommierten Studentenverbindung einschleust und ein Verbrechen aufklärt. Durch sein Talent im Boxen und die Hilfe der hübschen Charlotte steigt Hans schnell zu den Anwärtern des Clubs auf und wird schließlich auch in einer großen Zeremonie aufgenommen. Doch plötzlich steht Hans an einem Punkt, an dem er sich entscheiden muss. Für Alex und Charlotte oder seine neuen Freunde des Pitt Clubs.

Während dieser Kult in Deutschland kaum verbreitet ist, gibt es in den USA und auch in England unzählige Studentenverbindungen und elitäre Clubs. Ein jeder kennt sie und wünscht sich, ein Teil von ihnen zu sein. Den Wunsch nach Zugehörigkeit trägt Hans schon lange in sich, den er auch schließlich erfüllen kann. Mitglied des Pitt Clubs, Kämpfer der Boxmannschaft gegen Oxford. Plötzlich ist Hans mittendrin und muss aufpassen, dass er sich selbst nicht verliert.

Die eigentlich so dunkle Geschichte wird von Takis Würger ausdrucksstark und poetisch erzählt und sogar mit einem Hauch von Humor durchdrungen, sodass sie mir am Ende gar nicht mehr so düster erschien. Denn auch die Auflösung des Verbrechens, von dem wir erst in der Hälfte des Romans erfahren um was es sich eigentlich handelt, wurde für mich zweitrangig. Im Mittelpunkt stand viel mehr die Sprache an sich. Ohne viele Worte schafft Würger ein großes Konstrukt - eine zweite übergeordnete Geschichte - über verletzliche Menschen und der inneren Stärke. Denn auch wenn Hans sich selbst als Feigling bezeichnet und erkennt, dass er kein Abenteurer sein will, ist er für mich einer der stärksten und mutigsten Protagonisten, über die ich in letzter Zeit gelesen habe.

Takis Würger ist ein richtiger Insider. Nachdem er als Redakteur für den Spiegel gearbeitet hatte, entschied er sich dazu in Cambridge Ideengeschichte zu studieren. Währenddessen war er Mitglied des Boxing Clubs und weiteren Studentenverbindungen. Was Würgers Fantasie entsprungen und welche Details der Realität entsprechen, bleibt also nur zu vermuten.

Würger schafft mit seinem Debütroman ein Werk mit viel Tiefe, das einen berührt und mir auch noch Tage, nachdem ich dieses Buch zurück ins Regal gestellt habe meinen Geist beschäftigen wird. "Der Club" ist der beste Roman, den ich im Urlaub gelesen habe, wenn nicht sogar im ganzen bisherigen Jahr!

Tatsächlich ergeht es mir, wie die Barbara vorausgesagt hat:
"Takis Würger - diesen Namen, dieses Buch vergisst keiner schnell!"


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Andreas Lehmann: Schwarz auf Weiss

Wieder hat der Karl Rauch Verlag es geschafft mich bereits mit der Cover-Gestaltung zu überzeugen. Ich wünschte alle meine Bücher würden so aussehen! Karl Rauch Verlag // 2021 176 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover Als Martin Oppenländer erkennt wie sinnlos und monoton seine Arbeit letztlich ist, will er nicht länger von ihr abhängig sein. Kurzerhand macht er sich selbstständig. Doch die erhoffte Freiheit stellt sich nicht ein als die Welt auf einmal still steht. Da keine Aufträge hereinkommen, bleibt er in der Abhängigkeit, doch dieses mal nicht von einem Arbeitgeber, sondern vom Staat. Sein Leben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein, ohne Alltag mit einem Job, den er nicht ausüben kann. In dieses Chaos hinein erreicht ihn ein Anruf aus der Vergangenheit - von einer Frau, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Als Martin ihr dies gesteht, ist sie zunächst nicht sonderlich erbaut darüber. Trotzdem ruft sie wieder an. Und während er versucht ein Bild von dieser Frau zusammen

Miika Nousiainen: Quality Time

Ein sehr realitätsnaher, witziger Roman, in dem Toleranz gelebt wird und nicht mit der Moralkeule eingefordert. Sami, Markus, Asta, Nojonen, Hanna; fünf Menschen in Helsinki geben uns einen Einblick in ihre gegenwärtige Lebenssituation und Gefühlswelt. Sie sind eng miteinander verbunden, teils Freunde, teils Geschwister, und Asta ist die Mutter von Sami und Hanna.  Miika Nousiainen: Quality Time Roman // Original: Pintaremontti  Kein & Aber // 2021 // Übersetzt aus dem Finnischen von Elina Kritzokat  336 Seiten // 22,00 Euro // Harcover Miika Nousianinen erzählt aus der Ich-Perspektive des jeweiligen Protagonisten, von Hannas unerfüllten Kinderwunsch, Samis vergeblichen Versuchen die Frau fürs Leben und zur Familiengründung zu finden und von Markus Problemen als alleinerziehender Vater zwei kleiner Töchter. Nojonen hat immer nur seine Eltern gepflegt, erst den Vater, dann die Mutter. Nach deren Tod fällt er in ein tiefes Loch. Asta hat lange unter ihrem herrischem Ehemann gelitten

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020 160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein: Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine g