Roman // Original: The Marrying of Chani Kaufmann // 2013
Diogenes // 2018 // aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt
464 Seiten // 12,00 Euro // Taschenbuch
Sie lebte unter einer Glasglocke.
Aber schließlich, trotz aller Einwände und Hürden, war es so weit. Schließlich sagte sie ja. Sie kannte ihn nur von den wenigen verkrampften Treffen, bei denen sie sich auf der Zunge gebissen und nur gestelzte Sätze von sich gegeben hatte. Ein nervöser, schlaksiger Jeschiwa-Junge, der jedoch überaus freundlich und aufmerksam wirkte. Sie hoffte, dass sich die Glocke endlich hob. Oder dass sie sie zumindest mit jemanden teilen konnte.
Als eine von sieben Töchtern hat Chani sich vorgenommen, dass sie alles anders machen wird. Trotz unendlicher Zuneigung und Verständnis ihren Eltern gegenüber, hat sich Chani in ihrer Kindheit nach Aufmerksamkeit und Liebe gesehnt. Ihren Kindern soll es nie so ergehen. Doch zu ihren familiären, liberalen Familienplänen fehlt der passende Mann. Ob dies der schüchterne Baruch ist, kann Chani nach drei Treffen nur erhoffen. Doch nicht nur Chani macht sich Sorgen, auch Baruch ist beängstigt. Aus dem Haus einer wohlhabenden Familie soll er, wenn er schon nicht die Geschäfte seines Vaters übernimmt, eine religiöse Karriere einschlagen. Dabei würde er doch lieber Englisch studieren und Lehrer werden und versteckt seine Romane unter dem Bett. Doch wenn er sich schon darin nicht durchsetzen kann, will er zumindest die Frau aussuchen, die den Rest seines Lebens an seiner Seite verbringen wird. Weder Chani noch Baruch wissen etwas von dem anderen Geschlecht oder von der Ehe, doch wen sollen sie heiraten, wenn nicht einander?
"Besrat HaSchem, alles wird gutgehen. [...]" Sie brach ab, als sie ihrer eigenen nichtssagenden Heuchelei gewahr wurde. [...]
"Baruch, ja, ich habe Angst, genaugenommen entsetzliche Angst - ich kann nicht schlafen und ich kann nicht essen...", brach es aus Chani heraus.
Das war zu viel gewesen. Die Selbstsicherheit, die sie so gern ausstrahlen wollte, lag in Scherben. So ging das nicht. Aber irgendwie war sie auch erleichtert.
"Mir geht es genauso - ganz genauso -, also, mach dir keine Sorgen - es geht uns beiden so -, ich kann schon seit - na ja, seit ich dich kennengelernt habe - nicht mehr richtig schlafen."
Neben der Geschichte von Baruch und Chani gibt es noch zwei weitere Handlungsstränge. Avromi, der Sohn des Rabbis kommt auf dem College mit der nicht-jüdischen Welt - der Welt der Gojim - in Berührung und gerät in einen Konflikt zwischen seinen religiösen Werten und einer Gojete.
Seine Mutter, die Rebbetzerin Rivka, die nach einem Schicksalsschlag auf ihr Leben zurücksieht, muss erkennen, dass sie an einem Punkt angelangt ist, an dem sie nie sein wollte. Sie blickt auf ihr Leben in Israel zurück und an die Tage, an denen sie ihren Ehemann kennengelernt hat. Mit ihm entdeckt sie ihre religiöse Seite und die Kraft, die der Glaube ihr gibt. Sie ist wie berauscht von dem neuen Leben und den Menschen, denen sie begegnet. Doch in ihrem Haus in London muss sie feststellen, wie sehr sie sich von ihrem Mann und ihrem früheren Ich entfernt hat. Noch immer liebt sie ihre Familie und die Religion, aber sie liebt auch sich selbst.
Wie viele Regeln kann der Glaube und die Selbstbestimmung vertragen und ab wann ist es zu viel?
Eve Harris erzählt einfühlsam und mit viel Humor von einem jüdischen Leben mit unzähligen Regeln und Verhaltensvorschriften, in dem sich jeder Charakter darum bemüht, zu Recht zu kommen und sich zu orientieren und zu arrangieren. Doch auch wenn jemand mit seinem Glauben hadert, findet er immer einen guten Freund in der Gemeinde, der ihm zur Seite steht.
Diogenes // 2018 // aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt
464 Seiten // 12,00 Euro // Taschenbuch
Sie lebte unter einer Glasglocke.
Aber schließlich, trotz aller Einwände und Hürden, war es so weit. Schließlich sagte sie ja. Sie kannte ihn nur von den wenigen verkrampften Treffen, bei denen sie sich auf der Zunge gebissen und nur gestelzte Sätze von sich gegeben hatte. Ein nervöser, schlaksiger Jeschiwa-Junge, der jedoch überaus freundlich und aufmerksam wirkte. Sie hoffte, dass sich die Glocke endlich hob. Oder dass sie sie zumindest mit jemanden teilen konnte.
Als eine von sieben Töchtern hat Chani sich vorgenommen, dass sie alles anders machen wird. Trotz unendlicher Zuneigung und Verständnis ihren Eltern gegenüber, hat sich Chani in ihrer Kindheit nach Aufmerksamkeit und Liebe gesehnt. Ihren Kindern soll es nie so ergehen. Doch zu ihren familiären, liberalen Familienplänen fehlt der passende Mann. Ob dies der schüchterne Baruch ist, kann Chani nach drei Treffen nur erhoffen. Doch nicht nur Chani macht sich Sorgen, auch Baruch ist beängstigt. Aus dem Haus einer wohlhabenden Familie soll er, wenn er schon nicht die Geschäfte seines Vaters übernimmt, eine religiöse Karriere einschlagen. Dabei würde er doch lieber Englisch studieren und Lehrer werden und versteckt seine Romane unter dem Bett. Doch wenn er sich schon darin nicht durchsetzen kann, will er zumindest die Frau aussuchen, die den Rest seines Lebens an seiner Seite verbringen wird. Weder Chani noch Baruch wissen etwas von dem anderen Geschlecht oder von der Ehe, doch wen sollen sie heiraten, wenn nicht einander?
"Besrat HaSchem, alles wird gutgehen. [...]" Sie brach ab, als sie ihrer eigenen nichtssagenden Heuchelei gewahr wurde. [...]
"Baruch, ja, ich habe Angst, genaugenommen entsetzliche Angst - ich kann nicht schlafen und ich kann nicht essen...", brach es aus Chani heraus.
Das war zu viel gewesen. Die Selbstsicherheit, die sie so gern ausstrahlen wollte, lag in Scherben. So ging das nicht. Aber irgendwie war sie auch erleichtert.
"Mir geht es genauso - ganz genauso -, also, mach dir keine Sorgen - es geht uns beiden so -, ich kann schon seit - na ja, seit ich dich kennengelernt habe - nicht mehr richtig schlafen."
Neben der Geschichte von Baruch und Chani gibt es noch zwei weitere Handlungsstränge. Avromi, der Sohn des Rabbis kommt auf dem College mit der nicht-jüdischen Welt - der Welt der Gojim - in Berührung und gerät in einen Konflikt zwischen seinen religiösen Werten und einer Gojete.
Seine Mutter, die Rebbetzerin Rivka, die nach einem Schicksalsschlag auf ihr Leben zurücksieht, muss erkennen, dass sie an einem Punkt angelangt ist, an dem sie nie sein wollte. Sie blickt auf ihr Leben in Israel zurück und an die Tage, an denen sie ihren Ehemann kennengelernt hat. Mit ihm entdeckt sie ihre religiöse Seite und die Kraft, die der Glaube ihr gibt. Sie ist wie berauscht von dem neuen Leben und den Menschen, denen sie begegnet. Doch in ihrem Haus in London muss sie feststellen, wie sehr sie sich von ihrem Mann und ihrem früheren Ich entfernt hat. Noch immer liebt sie ihre Familie und die Religion, aber sie liebt auch sich selbst.
Wie viele Regeln kann der Glaube und die Selbstbestimmung vertragen und ab wann ist es zu viel?
Eve Harris erzählt einfühlsam und mit viel Humor von einem jüdischen Leben mit unzähligen Regeln und Verhaltensvorschriften, in dem sich jeder Charakter darum bemüht, zu Recht zu kommen und sich zu orientieren und zu arrangieren. Doch auch wenn jemand mit seinem Glauben hadert, findet er immer einen guten Freund in der Gemeinde, der ihm zur Seite steht.
Für das Rezensions-exemplar danken wir:
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