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John Banville Alias Benjamin Black:
Alchemie einer Mordnacht

Historischer Kriminalroman // Original: Prague Nights/ Wolf on a String // 2017
Kiepenheuer&Witsch // 2018 // aus dem Englischen von Elke Link
384 Seiten // 20 Euro // Hardcover gebunden mit Schutzumschlag

Alchemie einer Mordnacht ist das erste Buch, das ich von John Banville alias Benjamin Black gelesen habe, doch es wird nicht das Letzte sein:

Das Cover, das sofort etwas mystisches ausstrahlt und einen geradezu in das Bild von Prag hineinzieht, erweckte sofort mein Aufsehen. Ich nahm das Buch in die Hand und hatte sofort ein gutes Gefühl — das ist sehr wichtig, denn man liest doch, um ein gutes Gefühl zu bekommen. Als mir die Buchhändlerin meines Vertrauens auch noch begeistert etwas von dem Kriminalroman vorschwärmte, war das Buch schon längst gekauft.
Und es hat gehalten, was es mir damals, als ich es in der Buchhandlung in den Händen hielt, versprochen hat. Die Handlung zieht den Leser sofort in die das Ende des 16.Jahrhunderts an den Hof des habsburgischen Kaiser Rudolfs II. nach Prag. Der Kaiser - eine schillernde Persönlichkeit, euphorisch und begeisterungsfähig und im nächsten Moment zurückgezogen und „depressiv“ - ist der Alchemie verfallen. Um seinen Traum Gold herzustellen zu verwirklichen, hat er die bekanntesten und renommiertesten Gelehrten am Hof um sich herum geschart. Dies zieht auch den jungen Gelehrten Christian Stern nach Prag, denn er ist davon überzeugt, dass auch er später ein außerordentlicher Wissenschaftler wird, dessen Namen man auf dem Buchrücken bedeutender Wissenschaftlicher Arbeiten lesen wird.
Doch seine Ankunft ereignet sich anders als geahnt: Nach einem durchgezechten ersten Abend in einem Wirtshaus, geht Christian nach draußen, um frische Luft zu schnappen als er die Leiche reiner jungen Frau im Schnee findet. Schnell stellt sich heraus, dass es sich dabei um Magdalena Kroll, die neuste Mätresse des Kaisers, handelt und Christian scheint nur einen „kurzen Weg/Katzensprung“ vom Galgen entfernt zu sein. Doch ein wichtiger Gönner rettet ihn. Denn am Prager Hof hat man ihn bereits erwartet: der Kaiser höchstpersönlich erschien im Traum, dass Christus ihm einen Stern schickt, der der Retter und ein gutes Omen für den Thron sein soll. So wird Christian Stern am Hof aufgenommen und erhält eine Unterkunft sowie Verpflegung.
Dennoch scheint der Strick Christian seit diesen Ereignissen nunmehr zu verfolgen und ihn wie eine unsichtbare Last um seinen Hals zu liegen. Denn Kaiser Rudolf II. hat nicht nur Chemiker und Alchemisten an seinem Hofe untergebracht, auch sonst scheint er nur von Intrigen und Verschwörungen umringt zu sein. Mysteriöse und undurchsichtige Personen wie der Kammerherr Philip Lang, der Hofmeister Felix Wenzel oder die „Langzeitgeliebte“ des Kaisers Caterina Sardo kämpfen mit ihren eigenen Mitteln um Macht, Ruhm und ihre Stellung am Hofe. In diese Kämpfe ist Christian unwillkürlich hineingerutscht und wohin er auch sieht, jeder scheint etwas zu wissen, was Christian nicht weiß. Als der Kaiser dann noch an ihn herantritt und ihn damit beauftragt, den Mörder seiner Geliebten Magdalena Kroll zu finden, weiß Christian dieses Abenteuer nicht heillos überstehen kann.

Man darf keine wilden Verfolgungsjagden und Ermittlungen von dem Gelehrten und Naturphilosophen haben. John Banville erzeugt nämlich nicht durch den Mordfall an sich und die Suche nach dem oder den Mördern Spannung, vielmehr erreicht er diese durch die mystische Stimmung die er hinauf beschwört und den Sog, den der Roman verursacht. Sobald man in der Geschichte angekommen ist, lässt diese einen nicht mehr los. Benjamin Black hat aufs neue bewiesen, wie viel Kraft Wörtern innewohnt und wie sie eine ganze Epoche vor dem inneren Auge auferstehen lassen können. Ich wurde von meinem ersten Benjamin-Black-Roman mehr als überzeugt - eine tolle Balance zwischen historischer Zeitgeschichte und fantasievollem Roman, wodurch in Alchemie einer Mordnacht eine eigene Welt entsteht. Die fabelhafte Welt des Benjamin Blacks.

„Es kam mir vor als wäre ich jetzt schon halb tot. Doch dann besann ich mich und schalt mich für meine dunkle Schwäche. War ich denn ein Kind, das aus Angst vor der Dunkelheit und ihren vermeintlichen Ungeheueren wimmerte? Hatte ich in all meinen Studienjahren in Würzburg nichts gelernt? Die Welt ist eine Welt der Menschen, nicht der Teufel, so teuflisch die Menschen auch handeln mögen. […]
Der Kaiser hatte sein Vertrauen in mich gesetzt, in mich, statt in Leute wie seinen Hofmeister und seinen Kammerherrn - ich war sein Auserwählter, gegen die ganze Welt. Ich würde, ich durfte ihn nicht enttäuschen.“



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