Roman // Diogenes Verlag // 2019
416 Seiten // 24 Euro // Hardcover aus Leinen mit Schutzumschlag
Hallo, ihr lieben Freunde des Buches!
Gestern war der Tag des Buches, den ihr hoffentlich alle mit einer ausgiebigen Lesestunde gefeiert habt!
Da die Uni vor kurzer Zeit begonnen hat und ich mich zusätzlich auf einen Englischtest, den IELTS, vorbereite, komme ich derzeit etwas weniger zum Lesen. Doch für die freien Ostertage (es gab wirklich viel zu feiern in letzter Zeit!) habe ich mir ein besonderes Buch ausgesucht, welches ich euch heute vorstellen möchte.
"Ich kenne Ihr missbilligendes spitzes Mündchen, Padre. Bevor Sie die Frage stellen: Nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen. Meinem Gewissen geht es wie mir: Es stottert. Bis es seine Einwände zu Ende formuliert hat, habe ich schon gehandelt."
Die Worte scheinen nicht seinen Mund verlassen zu wollen - erst recht, wenn er nervös ist, wird die Stotterei eine Qual - doch das geschriebene Wort scheint geradezu aus seinen Händen zu fließen.
Dies hat Johannes Hosea Stärckle früh erkannt und sich seine Stärke zu Nutzen gemacht. Zu Beginn, um sich gegen seinen jahrelangen Peiniger zu rächen und danach als Lebensunterhalt. Bis er schließlich wegen Betrugs ins Gefängnis muss. Vom lauten Katschong, Katschong, Katschong der Stanzerei hat der Stotterer genug, sodass er mit dem Gefängnispfarrer einen Deal vereinbart. Der Padre verschafft ihm den Job in der Gefängnisbibliothek. Im Gegenzug dafür erhält er Briefe vom Stotterer, in denen er aus seinem Leben erzählt. Denn der Stotterer weiß allerhand zu berichten: Von seiner Jugend in einer Gemeinde, wobei seine Eltern viel Wert darauf legten nicht in einer Sekte zu sein, seiner Schulzeit als gefundenes Fressen für so manchen Peiniger und schließlich seinem Werdegang als Betrüger.
Auch der Padre erkennt das Talent des Stotterers für das geschriebene Wort und bewegt ihn dazu, an einem Kurzgeschichten-Wettbewerb einer christlichen Zeitung teilzunehmen. Dies bringt dem Stotterer nicht nur ein gutes Preisgeld, sondern auch den Entschluss, auch nach seiner Entlassung weiterhin zu schreiben.
Doch der neue Job in der Bibliothek bringt eine weitere unerwartete Wendung mit sich. Denn auf einmal scheinen die anderen Inhaftierten den Stotterer zu meiden und das kann nichts gutes bedeuten.
Auch wenn man es in der Kulisse einer Justizvollzugsanstalt wohl erwartet hätte, wurden keine blutigen Schlägereien oder andere Brutalitäten beschrieben. Die einzige Szene, in der wirklich Gewalt beschrieben wird, findet sich relativ am Ende des Buches und erklärt, wie Johannes Hosea zum Stotterer geworden ist. Doch diese hat es in sich.
Wenn ich während des Lesens mit der Bahn gefahren wäre und die Szene gerade bei der Station, an der ich hätte aussteigen müssen, geendet hätte, wäre ich in der Bahn sitzen geblieben, um nicht an dieser Stelle abbrechen zu müssen. Denn allein die Vorstellung von dem gerade gelesenen würde egal, was mich an meiner Zielstation erwartet hätte, einen schwarzen Filter legen - eine Beklommenheit, die erst von mir abfiele, wenn ich das nächste Kapitel lesen könnte. Aber auch diese Situation zeigt, wie genial und fesselnd Lewinsky seinen Protagonisten "zeichnet" und welche Farbkraft hinter seinen Worten steht.
Die Kritik von ein paar Lesern, man könne sich überhaupt nicht mit dem Protagonisten identifizieren und würde sich nur in seinem Kosmos befinden, halte ich für unverständlich. Ich möchte mich nicht zum Universalgenie erheben, aber aus meinem Leseerlebnis haben diese Leser_innen den Roman nicht richtig gelesen. Für mich ging es nicht darum, mich in Johannes Hosea Stärckle widerzufinden, viel mehr erzählt der Stotterer seine Gesichte dem Padre der JVA, der Leser ist für also der Briefempfänger, der sich eine eigene Antwort erdenken kann.
Das Einzige, was die mitreißende Handlung noch überbieten kann, ist Lewinskys Erzählstil. Es gibt bestimmt 50 Stellen, die ich am liebsten zitieren würde, was vor allem an der Bandbreite von Emotionen liegt, die ich beim Lesen erlebt habe.
Wir danken dem Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.
416 Seiten // 24 Euro // Hardcover aus Leinen mit Schutzumschlag
Hallo, ihr lieben Freunde des Buches!
Gestern war der Tag des Buches, den ihr hoffentlich alle mit einer ausgiebigen Lesestunde gefeiert habt!
Da die Uni vor kurzer Zeit begonnen hat und ich mich zusätzlich auf einen Englischtest, den IELTS, vorbereite, komme ich derzeit etwas weniger zum Lesen. Doch für die freien Ostertage (es gab wirklich viel zu feiern in letzter Zeit!) habe ich mir ein besonderes Buch ausgesucht, welches ich euch heute vorstellen möchte.
"Ich kenne Ihr missbilligendes spitzes Mündchen, Padre. Bevor Sie die Frage stellen: Nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen. Meinem Gewissen geht es wie mir: Es stottert. Bis es seine Einwände zu Ende formuliert hat, habe ich schon gehandelt."
Die Worte scheinen nicht seinen Mund verlassen zu wollen - erst recht, wenn er nervös ist, wird die Stotterei eine Qual - doch das geschriebene Wort scheint geradezu aus seinen Händen zu fließen.
Dies hat Johannes Hosea Stärckle früh erkannt und sich seine Stärke zu Nutzen gemacht. Zu Beginn, um sich gegen seinen jahrelangen Peiniger zu rächen und danach als Lebensunterhalt. Bis er schließlich wegen Betrugs ins Gefängnis muss. Vom lauten Katschong, Katschong, Katschong der Stanzerei hat der Stotterer genug, sodass er mit dem Gefängnispfarrer einen Deal vereinbart. Der Padre verschafft ihm den Job in der Gefängnisbibliothek. Im Gegenzug dafür erhält er Briefe vom Stotterer, in denen er aus seinem Leben erzählt. Denn der Stotterer weiß allerhand zu berichten: Von seiner Jugend in einer Gemeinde, wobei seine Eltern viel Wert darauf legten nicht in einer Sekte zu sein, seiner Schulzeit als gefundenes Fressen für so manchen Peiniger und schließlich seinem Werdegang als Betrüger.
Auch der Padre erkennt das Talent des Stotterers für das geschriebene Wort und bewegt ihn dazu, an einem Kurzgeschichten-Wettbewerb einer christlichen Zeitung teilzunehmen. Dies bringt dem Stotterer nicht nur ein gutes Preisgeld, sondern auch den Entschluss, auch nach seiner Entlassung weiterhin zu schreiben.
Doch der neue Job in der Bibliothek bringt eine weitere unerwartete Wendung mit sich. Denn auf einmal scheinen die anderen Inhaftierten den Stotterer zu meiden und das kann nichts gutes bedeuten.
Auch wenn man es in der Kulisse einer Justizvollzugsanstalt wohl erwartet hätte, wurden keine blutigen Schlägereien oder andere Brutalitäten beschrieben. Die einzige Szene, in der wirklich Gewalt beschrieben wird, findet sich relativ am Ende des Buches und erklärt, wie Johannes Hosea zum Stotterer geworden ist. Doch diese hat es in sich.
Wenn ich während des Lesens mit der Bahn gefahren wäre und die Szene gerade bei der Station, an der ich hätte aussteigen müssen, geendet hätte, wäre ich in der Bahn sitzen geblieben, um nicht an dieser Stelle abbrechen zu müssen. Denn allein die Vorstellung von dem gerade gelesenen würde egal, was mich an meiner Zielstation erwartet hätte, einen schwarzen Filter legen - eine Beklommenheit, die erst von mir abfiele, wenn ich das nächste Kapitel lesen könnte. Aber auch diese Situation zeigt, wie genial und fesselnd Lewinsky seinen Protagonisten "zeichnet" und welche Farbkraft hinter seinen Worten steht.
Die Kritik von ein paar Lesern, man könne sich überhaupt nicht mit dem Protagonisten identifizieren und würde sich nur in seinem Kosmos befinden, halte ich für unverständlich. Ich möchte mich nicht zum Universalgenie erheben, aber aus meinem Leseerlebnis haben diese Leser_innen den Roman nicht richtig gelesen. Für mich ging es nicht darum, mich in Johannes Hosea Stärckle widerzufinden, viel mehr erzählt der Stotterer seine Gesichte dem Padre der JVA, der Leser ist für also der Briefempfänger, der sich eine eigene Antwort erdenken kann.
Das Einzige, was die mitreißende Handlung noch überbieten kann, ist Lewinskys Erzählstil. Es gibt bestimmt 50 Stellen, die ich am liebsten zitieren würde, was vor allem an der Bandbreite von Emotionen liegt, die ich beim Lesen erlebt habe.
Wir danken dem Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.
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