Die Zeit des Lichts ist ein Roman von Whitney Scharer, der eine historische Persönlichkeit, die Fotografin Lee Miller, zur Protagonistin hat.
Klett-Cotta Verlag // 2019 // aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner
392 Seiten // 22,00 Euro // gebunden mit Schutzumschlag
Lee Millers Leben und ihre Karriere waren vielschichtig, sie wurde 1907 in New York geboren und arbeitete bereits im Alter von zwanzig Jahren als Model für die Vogue. 1929 reiste sie das erste Mal nach Paris und lernte hier bei Man Ray als Fotografin. Hier setzt auch Scharer mit ihrem Roman an. Lee Miller ist gerade in Paris angekommen, sie kennt niemanden, hat kein Geld und stellt fest, dass es in Paris viele schöne Mädchen und Frauen gibt, zwischen welchen ein New Yorker Model leicht untergeht. Nur mit ihrer Kamera bewaffnet, pirscht sie also durch Paris und merkt, dass sie eigentlich nicht weiß, was sie tut. Als sie dann diese Kamera auch noch auf einer dubiosen Party eines noch viel dubioseren Mannes verliert, ist Lee völlig auf sich alleine gestellt. Und was macht eine starke Frau in so einer Situation? Sie reißt sich zusammen und provoziert Man Ray sie als Mitarbeiterin anzustellen. Bei ihm lernt Lee den richtigen Umgang mit einer Kamera und das Entwickeln der Fotos in einer Dunkelkammer.
Whitney Scharer erzählt Lees Geschichte interessant und einfühlsam, ich hätte bestimmt noch weitere hundert Seiten darüber lesen können, wie Lee und Man mit ihren Kameras durch Paris laufen, Vernissagen besuchen und Scharer uns Einblicke in die Kunstszene der dreißiger Jahre in Paris gibt.
Besonders die Passagen über den Prozess der Fotografie und das Entwickeln der Bilder haben mich sofort motiviert meine Polaroidkamera auszupacken und mich über Dunkelkammern zu informieren. (Vielleicht wird das Gästezimmer ja bald umfunktioniert ;) )
Wie sollte es auch anders sein, werden Lee Miller und Man Ray im Buch wie auch im richtigen Leben zu einem Liebespaar. Obwohl ihre Beziehung gerade zu Anfang sehr liebevoll ist, kommt es mit der Zeit zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse, da Lee nicht nur eine immer bessere Fotografin wird, sondern auch in einer bekannten Filmproduktion mitwirkt.
Lee Miller und Man Ray sind heute noch als Begründer der Solarisation bekannt. Die ursprünglich versehentlich von Lee Miller erfundene Möglichkeit die Belichtung von Fotografien während der Entwicklung zu verändern, titulierte Man Ray ursprünglich als die seine, wodurch die Beziehung im Roman zum ersten Mal zu bröckeln begann.
Lee Miller ist außerdem bekannt für ihre spätere Kriegsfotografie. Seit 1944 arbeitete sie als eine von wenigen Frauen als Militärkorrespondentin für die USA in Europa, wo sie unteranderem ehemalige Konzentrationslager-Inhaftierte fotografierte und die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald fotografisch dokumentierte. Bekannt ist vor allem ein Bild, dass ihr Kollege am 30. April 1945 nach der Kapitulation von ihr machte. Es zeigt Lee Miller in Hitlers Badewanne. Dieses und auch andere Fotografien aus diesen Jahren greift Whitney Scharer in ihrem Roman auf. Die Kapitel, die aus der Zeit in Paris berichten, enden immer mit der Geschichte zu einer ihrer Kriegsfotografien. Da es sich bei „Die Zeit des Lichts“ um einen Roman und keine Biografie handelt, gefallen mir diese Einschübe sehr gut, da der Leser somit einen Ausblick auf das weitere Leben von Lee erhält. Natürlich habe ich bei jedem dieser Einschübe mein Handy gezückt und die besprochenen Bilder dazu gegoogelt.
Wir hatten das Glück, Whitney Scharer Ende 2019 bei einer Lesung im Ausstellungsraum der Buchhandlung Geistesblüten live erleben zu dürfen. Es war ein spannendes Gespräch, bei dem Whitney Scherer nicht nur Einblicke in den Roman, sondern auch in ihren Prozess der Ideenfindung und des Schreibens über eine reale Person gegeben hat. Zwischen dem Gespräch mit Whitney Scharer hat Jeanette Hain Abschnitte aus dem Roman in ihrer eigenen Interpretation vorgetragen.
Lee Miller ist eine faszinierende Frau, die Whitney Scharer in „Die Zeit des Lichts“ gut eingefangen hat. Ich habe und möchte mich auch weiterhin über das Leben dieser bemerkenswerten Frau kundig machen und erwarte mit Vorfreude einen zweiten Roman von Whitney Scharer.
Wir danken Klett-Cotta für das Rezensionsexemplar.
Vorgelesen von Irene Adler, die sich sehr freut nun auch Bücher mit starken weiblichen Protagonistinnen vorstellen zu dürfen.
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