Roman // Czernin Verlag // 2017
496 Seiten // 26 Euro // Hardcover
Nachdem ihr Mann gestern gestorben ist, hat Sybille sich von der Außenwelt zurückgezogen. Sie lacht nicht mehr, sie weint nicht mehr, sie existiert nur noch. Als sie kurz darauf auch noch ihre Eltern verliert, ist sie am Tiefpunkt angekommen. Doch da erinnert sie sich plötzlich an ihren Freund aus Kindheitstagen zurück. Samat und Sybille, das Dillemädchen und der Kerbeljunge, sind trotz ihres Altersunterschied unzertrennlich. Obwohl oder gerade weil das eigene Elternhaus den Kindern nicht das geben kann, was sie sich wünschen, finden sie Zuneigung und Vertrauen im anderen. Eine Sache kann aber auch Sybille Samat nicht sagen, der sich aufgrund seines unbekannten kirgisischen Vaters nicht komplett fühlt. So kehrt er eines Sommers in den Semesterferien nicht zu Sybille zurück und sie hört nie wieder etwas von ihm.
Doch nun hat ihre Mutter ihr auf dem Sterbebett gebeichtet, dass Samat jahrelang Briefe an Sybille geschickt hat, die die Mutter, um ihre Tochter vor einer erneuten Enttäuschung zu beschützen, vor ihr versteckt hielt.
Sybille entschließt sich für eine radikale Veränderung. Sie kauft sich neue Kleidung, färbt sich die neuen kurzen Haaren dunkel und beantragt ein Visum nach Kirgisistan. Denn sie hat eine neue Aufgabe: Sie wird Samat in Kirgisistan finden.
Sybille hatte plötzlich wieder das Bedürfnis, ihre leer gewordene Leinwand zu bespielen, sie mit neuen Bildern auf einem neuen Film zu füllen - eine Erkenntnis, die sie spontan die elterlichen Nachlasskisten durchwühlen und nach Samats Kamera suchen ließ. Sie musste sie mitnehmen. Es hatte klick gemacht. Klick, klick, klick.
Sie hat neuen Lebensmut gefasst und innerhalb kürzester Zeit ist sie zur Abreise bereit.
Als sie in Kirgisistan den Flughafen verlässt, merkt sie auf Anhieb wie sehr sich dieses Land von ihren wesentlichen Vorstellungen unterscheidet. Nicht nur das Wetter ist heiß und schwül, was für die Moskitos ein Paradis ist, auch das Leben scheint hier grundsätzlich anders zu verlaufen. Mit Glück und einem Taxifahrer, der kein Wort englisch versteht, schafft es Sybille zur leeren Wohnung von Samat, in der sie erst mal Quartier bezieht. Nur langsam gewöhnt sie sich an das Neue:
Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, das gerade dabei war, die ersten Schritte zu erlernen, nur dass das in ihrem Fall langsamer und nicht mehr ganz so spielerisch vonstattenging: das Aufladen der Handywertkarte am Automaten, das Abheben von Bargeld, das Umrechnen der Währungen, die kleinen Tricks, um die jeweiligen Schlösser der Garten-, Eingangs- und Wohnungstür aufzubekommen, das Bedienen ihrer russischen Waschmaschine und ganz allgemein das Fragen nach Hilfe, das geradezu Überlebenssache war.
Ein Glück findet Sybille einige freundliche Helferinnen wie die Tochter der Vermieterin Elaine oder die Cafe-Besitzerin Medina, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen. Nachdem sich Sybille ein wenig eingelebt hat, macht sie sich auf die Suche nach Samat. Doch der scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein und diejenigen, die etwas von Samats Verbleib wissen müssten, lügen Sybille an oder tun auf ahnungslos. Was war das für ein merkwürdiges Projekt, an dem Samat gearbeitet hat? Und warum scheinen seine Forschungsergebnisse so gefährlich zu sein? Es ist an der Zeit Antworten zu finden und Sybille macht sich auf eine Reise durch Samats Kirgisistan.
Der Titel des Romans hat mich damals sehr angesprochen, so dass ich mich über eine Vorabfahne sehr freute. Diese habe ich wie ihr auf dem Titelbild sehen könnt mehr oder weniger geschickt zusammen getackert, so dass ich sie auch sehr gut in der Bahn mitnehmen konnte. Nach einiger Zeit kam dann auch das Hardcover bei uns zuhause an, das sehr schön gestaltet ist. Die Seiten sind aus hochwertigem festen Papier.
Eigentlich hatte ich einen sanften Roman über das heutige Kirgisistan und seine Bewohner erwartetet. Doch Kafka mit Flügeln ist mehr. Denn auf den ersten 200 Seiten wandelt sich der Roman von einem Landportrait langsam in einen Krimi. Denn Samat scheint an einem bahnbrechenden Forschungsergebnis über Schmetterlinge zu arbeiten. Doch die Protokolle scheinen für Sybille einfach keinen Sinn zu ergeben. Doch auf ihrer Suche nach Samat begibt sie sich mehr in das Schussfeld dubioser Naturwissenschaftler und Heilpraktiker als ihr bewusst ist.
Je mehr Sybille Samats Familiengeschichte aufdeckt, so mehr erfährt sie auch über die Vergangenheit Kirgisistans.
Kirgisistan ist ein sehr junges Land. Seit der Unabhängigkeit und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 musste es bereits mehrere Revolutionen und Unruhen verkraften. Für alle, die wie ich zuvor nicht wissen, wo Kirgisistan liegt, habe ich eine Karte beigefügt.
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Für Weltenbummler, Landschaftsliebhaber oder einfach für Leser, die neue Welten erforschen wollen, ist Kafka mit Flügeln eine super Entscheidung.
Für das Rezensionsexemplar danken wir:
Eine tolle Rezension und sehr schöne Fotos vom Manuskript und dem fertigen Buch:)
AntwortenLöschenLiebste Grüße,
Sonja von https://searchingforkitsch.blogspot.de