Seit wenigen Tagen ist der Debütroman von Victor Justin erhältlich und schon heute möchte ich meine Leseerfahrungen mit euch teilen:
Roman // Original: La Chaleur (2019)
Kein & Aber Verlag // 2020 // Aus dem Französischen von Sina de Malafosse
160 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover mit Schutzumschlag
Allein das Cover birgt ein Versprechen: Hitze. Die Buchstaben glitzern und haben sofort die Erinnerung an vergangene Sommertage in mir wach gerufen. Ein wolkenfreier Himmel, die Sonne knallt, ein Flirren liegt in der Luft. Man braucht nur die Augen schließen und schon sieht man nicht nur diese Bilder. Ich bildete mir sogar ein die Hitze riechen zu können. Dieses Gefühl hält Justin über 160 Seiten aufrecht.
Es ist der letzte Tag der Sommerferien für Leonard und seine Familie auf dem Campingplatz am Meer. Justin schildert diesen letzten Tag poetisch mit einem Hang zum traumhaften Delirium. Es sind 39 Grad, der heißeste Tag des Sommers, und die Hunde spielen verrückt vor Hitze. Unerträglich ist der Tag jedoch aus vielen Gründen für Léonard. Der Anfangs- und Endpunkt der Geschichte ist der Tod des 17 Jährigen Oscar. In der nacht sieht Léonard wie der Gleichaltrige sich umbringt. Ob tatsächlich gewollt oder eher durch eine folgenreiche Übersprungshandlung bleibt ungeklärt. Léonard unternimmt nichts und sieht Oscar beim Sterben zu. Als ihn plötzlich ein Schuldgefühl überkommt, versteckt er die Leiche. So ist Léonard der einzige, der am nächsten Tag weiß, was mit Oscar passiert ist. Er irrt auf dem Campingplatz umher, dieser Ort, der ihm so verhasst ist.
Der Tod von Oscar ist nur die eigentliche Spitze des Eisbergs, der sich in Léonard gesammelt hat. Der ganze Urlaub auf dem Campingplatz war für ihn eine Qual. Auf der einen Seite will er wie die anderen Jugendlichen sein. Er will ein Teil von den Selbstbewussten und Sorglosen sein, die jeden Abend am Strand tanzen. Doch er weiß, dass er niemals zu ihnen gehören wird. Er ist anders, ihm gefallen die Strandpartys nicht. Er ist sensibel, unsicher und häufig einfach überfordert, wenn er mit anderen Menschen sprechen soll:
Sie lächelte. Sie fand mich lustig und hielt mich für intelligenter, als ich war. Das geschah oft: Aus Verlegenheit sagte ich sonderbare Dinge, und es kam oft so an, als wäre ich ein geistreicher Typ.
Er repräsentiert damit jedoch eine ganze Generation, die versucht zu überleben zwischen dem Drang dazugehören zu wollen und zugleich sein Ich nicht zu verlieren. Jestin greift diesen inneren Konflikt in Hitze auf. Auch ein Léonard, der ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und eine sorgende Mutter hat, bleibt davon nicht verschont. Schließlich kommt es zum Ausbruch:
Ich stürze mich auf Yann. Ein paar versuchten mich zu stoppen, aber andere hielten sie davon ab. Alle zurückgehaltenen, eingesteckten, erträumten Schläge und alle, die, wie ich gesehen hatte, ungerechterweise ausgeteilt wurden: Alle trafen nun ihn. Aus Angst, mir wehzutun, meine Hände zu verletzen, hatte ich mich bisher nie geprügelt. Doch wenn eine solche Barriere fällt, ist es der Wahnsinnige, der wirklich wehtun, verunstalten will, der den Sieg davonträgt.
Es ist bemerkenswert, dass es Jestin bei seinem Debütroman gelungen ist diese besondere Stimmung einzufangen. Die eigentliche Handlung tritt in den Hintergrund. Ich konnte mich von Anfang an auf das Buch einlassen und konnte Bestandteil dieser Gefühlswelt werden. Hitze ist ein Buch, dass man nicht aus der Hand legen will.
Wir danken dem Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar.
Roman // Original: La Chaleur (2019)
Kein & Aber Verlag // 2020 // Aus dem Französischen von Sina de Malafosse
160 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover mit Schutzumschlag
Allein das Cover birgt ein Versprechen: Hitze. Die Buchstaben glitzern und haben sofort die Erinnerung an vergangene Sommertage in mir wach gerufen. Ein wolkenfreier Himmel, die Sonne knallt, ein Flirren liegt in der Luft. Man braucht nur die Augen schließen und schon sieht man nicht nur diese Bilder. Ich bildete mir sogar ein die Hitze riechen zu können. Dieses Gefühl hält Justin über 160 Seiten aufrecht.
Es ist der letzte Tag der Sommerferien für Leonard und seine Familie auf dem Campingplatz am Meer. Justin schildert diesen letzten Tag poetisch mit einem Hang zum traumhaften Delirium. Es sind 39 Grad, der heißeste Tag des Sommers, und die Hunde spielen verrückt vor Hitze. Unerträglich ist der Tag jedoch aus vielen Gründen für Léonard. Der Anfangs- und Endpunkt der Geschichte ist der Tod des 17 Jährigen Oscar. In der nacht sieht Léonard wie der Gleichaltrige sich umbringt. Ob tatsächlich gewollt oder eher durch eine folgenreiche Übersprungshandlung bleibt ungeklärt. Léonard unternimmt nichts und sieht Oscar beim Sterben zu. Als ihn plötzlich ein Schuldgefühl überkommt, versteckt er die Leiche. So ist Léonard der einzige, der am nächsten Tag weiß, was mit Oscar passiert ist. Er irrt auf dem Campingplatz umher, dieser Ort, der ihm so verhasst ist.
Der Tod von Oscar ist nur die eigentliche Spitze des Eisbergs, der sich in Léonard gesammelt hat. Der ganze Urlaub auf dem Campingplatz war für ihn eine Qual. Auf der einen Seite will er wie die anderen Jugendlichen sein. Er will ein Teil von den Selbstbewussten und Sorglosen sein, die jeden Abend am Strand tanzen. Doch er weiß, dass er niemals zu ihnen gehören wird. Er ist anders, ihm gefallen die Strandpartys nicht. Er ist sensibel, unsicher und häufig einfach überfordert, wenn er mit anderen Menschen sprechen soll:
Sie lächelte. Sie fand mich lustig und hielt mich für intelligenter, als ich war. Das geschah oft: Aus Verlegenheit sagte ich sonderbare Dinge, und es kam oft so an, als wäre ich ein geistreicher Typ.
Er repräsentiert damit jedoch eine ganze Generation, die versucht zu überleben zwischen dem Drang dazugehören zu wollen und zugleich sein Ich nicht zu verlieren. Jestin greift diesen inneren Konflikt in Hitze auf. Auch ein Léonard, der ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und eine sorgende Mutter hat, bleibt davon nicht verschont. Schließlich kommt es zum Ausbruch:
Ich stürze mich auf Yann. Ein paar versuchten mich zu stoppen, aber andere hielten sie davon ab. Alle zurückgehaltenen, eingesteckten, erträumten Schläge und alle, die, wie ich gesehen hatte, ungerechterweise ausgeteilt wurden: Alle trafen nun ihn. Aus Angst, mir wehzutun, meine Hände zu verletzen, hatte ich mich bisher nie geprügelt. Doch wenn eine solche Barriere fällt, ist es der Wahnsinnige, der wirklich wehtun, verunstalten will, der den Sieg davonträgt.
Es ist bemerkenswert, dass es Jestin bei seinem Debütroman gelungen ist diese besondere Stimmung einzufangen. Die eigentliche Handlung tritt in den Hintergrund. Ich konnte mich von Anfang an auf das Buch einlassen und konnte Bestandteil dieser Gefühlswelt werden. Hitze ist ein Buch, dass man nicht aus der Hand legen will.
Wir danken dem Kein & Aber Verlag für das Rezensionsexemplar.
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