Roman // Original: The Lonely Londoners // 1956
Dtv // 2017 Deutsche Erstausgabe // Aus dem englischen von Miriam Mandelkow
176 Seiten // Euro 18,00 // Gebunden mit Lesebändchen
Moses sitzt an einem kalten Winterabend am Bahnhof Waterloo in London und wartet auf Jemanden. Es ist Henry Oliver, der Freund eines Freundes aus Trinidad. Henry ist gerade mit der SS Hildebrand frisch aus Jamaika in London eingetroffen und Moses, die gute Seele, kommt, um sich um ihn zu kümmern.
Er weiß noch, wie hilflos er selbst gewesen ist am Anfang in London und „Nichts und Niemanden“ kannte. Henry kommt in einem alten grauen Sommeranzug und Washicongs und hat weder Mantel, Schal oder Handschuhe noch irgendwas anderes gegen die Kälte. Er hat kein Gepäck und weder Rum noch Zigaretten als Anfangsausstattung zum Verkaufen mitgebracht:
„Na ja, die Zahnbürste ist immer dabei.“ Henry klopft auf seine Jackentasche. „Und den Pyjama am Leib. Keine Sorge, ich hol mir alles, wenn es losgeht mit dem Arbeiten“.“
Aber das mit dem Arbeiten ist gar nicht mehr so leicht, denn es gibt mittlerweile zu viele Mokkas in London. Zu viele Einwanderer aus der Karibik – Trinidad, Grenada, Barbados, Jamaika und Antigua – und Zeitungen und Radio machen Stimmung gegen die Westinder. Als ein Jamaikaner beim Finanzamt Auskunft holen will, sagt der Angestellte sofort: „Ihr glaubt wohl, die Straßen von London sind mit Gold gepflastert“.
Der Autor Samuel Selvon wurde 1923 in Trinidad geboren und ging 1950 nach London. 1956 erschienen Die Taugenichtse in England und erzählte von den Hoffnungen und Sehnsüchten der Einwanderer und von ihren Problemen und Ängsten und zunehmenden Fremdenfeindlichkeit der Engländer.
Er erzählt von Tolroy, der seine Mutter nach London nachholen will und jetzt von der gesamten Familie heimgesucht wird. Von Five Past Telve, der so heisst, weil er so schwarz wie Mitternacht ist, „Nee, das ist schon fünf nach zwölf“. Von Haris, der Tanzveranstaltungen mit einer Steel-Band organisiert und immer Angst davor hat, dass ihn die Jungs vor den feinen Engländern blamieren: „Also Jungs, bitte, tut mir den Gefallen, wenn die Band „God save the Queen“ spielt, macht euch stramm“.
Und auch wenn die Winter hart und lang sind, und aus Hunger schon mal eine Taube im Kochtopf landet, wollen die Jungs nicht zurück: „Zu Hause hat keine Zukunft, Junge“.
Nur Moses, die gute Seele der Jungs, schwört jedes Jahr, dass er nach Trinidad zurückgehen wird, aber wenn der Winter vorbei ist und die Vögel singen und Haris in Brixton Tanz macht, kommt Moses Entschluss wieder ins Wanken. Vor kurzem hat ihm jemand erzählt, dass in Frankreich alle möglichen Leute Bücher schreiben, die schnell Bestseller werden und Moses überlegt, „ob er so ein Buch schreiben könnte, das jeder kauft“.
Das Nachwort „Wenn die Mokkas nach England kommen“ hat Sigrid Löffler geschrieben. Sie erläutert, dass Samuel Selvon den ersten Roman geschrieben hat, der die Zuwanderung aus der Karibik zum Thema macht und warum die Taugenichtse im englischen Sprachraum längst zum modernen Klassiker geworden ist. Und sie erläutert wie gekonnt Samuel Selvon die englische Sprache kreolisiert hat, „ein quecksilbriges, witziges, lebhaftes und kraftvolles Kunst-Kreolisch erfunden“ hat. Und wir können der Übersetzerin Miriam Mandelkow nur danken, wie genial sie dieses Kreolisch ins Deutsche übertragen hat.
Die Taugenichtse ist ein tolles Buch und trotz der ernsten Thematik vor Lebensfreude und Optimismus nur so sprühend.
Dtv // 2017 Deutsche Erstausgabe // Aus dem englischen von Miriam Mandelkow
176 Seiten // Euro 18,00 // Gebunden mit Lesebändchen
Moses sitzt an einem kalten Winterabend am Bahnhof Waterloo in London und wartet auf Jemanden. Es ist Henry Oliver, der Freund eines Freundes aus Trinidad. Henry ist gerade mit der SS Hildebrand frisch aus Jamaika in London eingetroffen und Moses, die gute Seele, kommt, um sich um ihn zu kümmern.
Er weiß noch, wie hilflos er selbst gewesen ist am Anfang in London und „Nichts und Niemanden“ kannte. Henry kommt in einem alten grauen Sommeranzug und Washicongs und hat weder Mantel, Schal oder Handschuhe noch irgendwas anderes gegen die Kälte. Er hat kein Gepäck und weder Rum noch Zigaretten als Anfangsausstattung zum Verkaufen mitgebracht:
„Na ja, die Zahnbürste ist immer dabei.“ Henry klopft auf seine Jackentasche. „Und den Pyjama am Leib. Keine Sorge, ich hol mir alles, wenn es losgeht mit dem Arbeiten“.“
Aber das mit dem Arbeiten ist gar nicht mehr so leicht, denn es gibt mittlerweile zu viele Mokkas in London. Zu viele Einwanderer aus der Karibik – Trinidad, Grenada, Barbados, Jamaika und Antigua – und Zeitungen und Radio machen Stimmung gegen die Westinder. Als ein Jamaikaner beim Finanzamt Auskunft holen will, sagt der Angestellte sofort: „Ihr glaubt wohl, die Straßen von London sind mit Gold gepflastert“.
Der Autor Samuel Selvon wurde 1923 in Trinidad geboren und ging 1950 nach London. 1956 erschienen Die Taugenichtse in England und erzählte von den Hoffnungen und Sehnsüchten der Einwanderer und von ihren Problemen und Ängsten und zunehmenden Fremdenfeindlichkeit der Engländer.
Er erzählt von Tolroy, der seine Mutter nach London nachholen will und jetzt von der gesamten Familie heimgesucht wird. Von Five Past Telve, der so heisst, weil er so schwarz wie Mitternacht ist, „Nee, das ist schon fünf nach zwölf“. Von Haris, der Tanzveranstaltungen mit einer Steel-Band organisiert und immer Angst davor hat, dass ihn die Jungs vor den feinen Engländern blamieren: „Also Jungs, bitte, tut mir den Gefallen, wenn die Band „God save the Queen“ spielt, macht euch stramm“.
Und auch wenn die Winter hart und lang sind, und aus Hunger schon mal eine Taube im Kochtopf landet, wollen die Jungs nicht zurück: „Zu Hause hat keine Zukunft, Junge“.
Nur Moses, die gute Seele der Jungs, schwört jedes Jahr, dass er nach Trinidad zurückgehen wird, aber wenn der Winter vorbei ist und die Vögel singen und Haris in Brixton Tanz macht, kommt Moses Entschluss wieder ins Wanken. Vor kurzem hat ihm jemand erzählt, dass in Frankreich alle möglichen Leute Bücher schreiben, die schnell Bestseller werden und Moses überlegt, „ob er so ein Buch schreiben könnte, das jeder kauft“.
Das Nachwort „Wenn die Mokkas nach England kommen“ hat Sigrid Löffler geschrieben. Sie erläutert, dass Samuel Selvon den ersten Roman geschrieben hat, der die Zuwanderung aus der Karibik zum Thema macht und warum die Taugenichtse im englischen Sprachraum längst zum modernen Klassiker geworden ist. Und sie erläutert wie gekonnt Samuel Selvon die englische Sprache kreolisiert hat, „ein quecksilbriges, witziges, lebhaftes und kraftvolles Kunst-Kreolisch erfunden“ hat. Und wir können der Übersetzerin Miriam Mandelkow nur danken, wie genial sie dieses Kreolisch ins Deutsche übertragen hat.
Die Taugenichtse ist ein tolles Buch und trotz der ernsten Thematik vor Lebensfreude und Optimismus nur so sprühend.
Für das Rezensionsexemplar danken wir:
Das klingt wirklich nach einem tollen Roman, der wieder sehr aktuell ist und einer gelungenen Buchpräsentation. Die Kreolische Sprachfindung scheint wirklich interessant! Ich bin gespannt, wie das übersetzt wurde.
AntwortenLöschenLiebste Grüße,
Sonja von http://searchingforkitsch.blogspot.de