Roman // Diogenes // 2017
656 Seiten // 25,00 € // Hardcover
Der Roman beruht auf der Lebensgeschichte des „Wunderjungen“ William James Sidis. Er lebte von 1898 -1994 und war das geniale Opfer der Erziehungsmethode seiner Eltern. Sein Vater Boris Sidis kommt aus einer guten ukrainischen Familie. Als er während seines Unterrichts in der Schule mit dem Gesetz in Konflikt gerät, kommt er 1886 als mittelloser Einwanderer nach Abbüssung seiner Haftstrafe nach New York. Boris besticht mit seinem Ehrgeiz und seiner sehr schnellen Auffassungsgabe. Er glaubt, dass jeder Mensch, die richtige Lernmethode vorausgesetzt alles lernen kann. Und mittlerweile Havard-Absolvent und berühmter Psychologe, der als erster die Möglichkeiten der Hypnose erkennt, ist er selber der perfekte Beweis für seine Theorie. Er verfügt über alle erforderlichen Eigenschaften: „Fleiß, Selbstdisziplin, Ausdauer und die wichtigste von allen, Lernbereitschaft“.
Mit seiner Methode gelingt es ihm auch aus seiner ungebildeten Frau Sarah Mandelbaum eine promovierte Ärztin zu machen. Sarah hat für ihren Eifer allerdings eigene Beweggründe:
„Mit Liebe zum Wissen, mit Freude an der Erkenntnis, dem Lernen um des Lernens willen, hatte ihr Bildungsdrang nichts zu tuen. Es ging ihr einzig und alleine darum, ihrem Schicksal zu entfliehen. Wenn sie nichts dagegen unternahm, wartete dasselbe auf sie, wie auf Millionen anderer ungebildeter Frauen in ihrem Heimatland: ein Leben aus kräftezehrender Feld- und Hausarbeit bis zum Tod“.
Welche Ironie des Schicksals, dass ihr trotz Boris späterer Karriere zum Leiter der ersten psychologischen Klinik genau das bevorsteht, da sie sich völlig im Funktionieren des Klinikbetriebs verausgabt.
Als William James, genannt Billie, geboren wird, wird er zum Erziehungsexperiment für seine Eltern. Und es scheint zu gelingen: Während andere Kinder spielen und kindlich sind, gibt es für Billie nur lernen. Denn „normal“ darf Billie auf keinen Fall sein. Er muss nach dem Höchsten streben, nach Vollkommenheit. Und dazu braucht es einer „neutralen Atmosphäre“, also kein Spielzeug, Bilder, Deckchen oder Vasen. Jedes Gespräch dient dem lernen, seinem „subwaking self“. Und es scheint zu funktionieren, Billie macht mit acht Jahren seinen High-School Abschluss, kommt in die „Wundergruppe“ nach Havard, wird von internationalen Wissenschaftlern anerkannt. Aber Billie macht keine Abschlüsse, sammelt keine Lobeshymnen, denn ihm hat die sozial-emotionale Komponente in seiner Erziehung gefehlt. Billie ist menschenscheu, widersetzt sich allen Regeln guten Benehmens und fällt immer wieder unangenehm durch sein ungestümes und unfreundliches Verhalten auf.
Und selbst in dieser Phase erkennen seine Eltern nicht, dass ihre Erziehung kein geniales, sondern ein „A-soziales“ Kind hervorgebracht hat. Während Billie am liebsten auf dem Rücken liegend und in den Himmel schauend seine Gedanken und Theorien entwickelt, verlangen seine Eltern auf einmal vom ihm, dass er am normalen leben teilnehmen und seinen Unterhalt selber verdienen soll. Für Billie ist es aber schon lange zu spät. Sein Abstieg ist vorprogrammiert und auch politische Freunde oder eine unerfüllte Liebe können ihm keinen Halte geben.
Das Genie ist ein spannendes, tragisches Buch um Hoffnungen und verpasste Lebenschancen. Gleichzeitig ist es ein Kaleidoskop der amerikanischen Gesellschaft von Beginn der früheren Jahrhundertwende über zwei Weltkriege hinweg. Klaus Cäsar besticht mit seiner ruhigen, unaufgeregten Erzählweise. Einwandere, die Unterdrückung und Armut im Heimatland erfahren haben, sehen in Amerika das „gerechte“ Land mit Freiheit und Gleichheit. In diesem Land, indem Leistung zählt, schafft es Boris sich hervor zu tuen. Billie, der dasselbe, nur noch besser machen soll, versagt. Denn Genies können wohl nicht erzogen werden. Auch sie müssen erst ihr Leben leben, um an die wichtigen Erkenntnisse zu gelangen.
656 Seiten // 25,00 € // Hardcover
Der Roman beruht auf der Lebensgeschichte des „Wunderjungen“ William James Sidis. Er lebte von 1898 -1994 und war das geniale Opfer der Erziehungsmethode seiner Eltern. Sein Vater Boris Sidis kommt aus einer guten ukrainischen Familie. Als er während seines Unterrichts in der Schule mit dem Gesetz in Konflikt gerät, kommt er 1886 als mittelloser Einwanderer nach Abbüssung seiner Haftstrafe nach New York. Boris besticht mit seinem Ehrgeiz und seiner sehr schnellen Auffassungsgabe. Er glaubt, dass jeder Mensch, die richtige Lernmethode vorausgesetzt alles lernen kann. Und mittlerweile Havard-Absolvent und berühmter Psychologe, der als erster die Möglichkeiten der Hypnose erkennt, ist er selber der perfekte Beweis für seine Theorie. Er verfügt über alle erforderlichen Eigenschaften: „Fleiß, Selbstdisziplin, Ausdauer und die wichtigste von allen, Lernbereitschaft“.
Mit seiner Methode gelingt es ihm auch aus seiner ungebildeten Frau Sarah Mandelbaum eine promovierte Ärztin zu machen. Sarah hat für ihren Eifer allerdings eigene Beweggründe:
„Mit Liebe zum Wissen, mit Freude an der Erkenntnis, dem Lernen um des Lernens willen, hatte ihr Bildungsdrang nichts zu tuen. Es ging ihr einzig und alleine darum, ihrem Schicksal zu entfliehen. Wenn sie nichts dagegen unternahm, wartete dasselbe auf sie, wie auf Millionen anderer ungebildeter Frauen in ihrem Heimatland: ein Leben aus kräftezehrender Feld- und Hausarbeit bis zum Tod“.
Welche Ironie des Schicksals, dass ihr trotz Boris späterer Karriere zum Leiter der ersten psychologischen Klinik genau das bevorsteht, da sie sich völlig im Funktionieren des Klinikbetriebs verausgabt.
Als William James, genannt Billie, geboren wird, wird er zum Erziehungsexperiment für seine Eltern. Und es scheint zu gelingen: Während andere Kinder spielen und kindlich sind, gibt es für Billie nur lernen. Denn „normal“ darf Billie auf keinen Fall sein. Er muss nach dem Höchsten streben, nach Vollkommenheit. Und dazu braucht es einer „neutralen Atmosphäre“, also kein Spielzeug, Bilder, Deckchen oder Vasen. Jedes Gespräch dient dem lernen, seinem „subwaking self“. Und es scheint zu funktionieren, Billie macht mit acht Jahren seinen High-School Abschluss, kommt in die „Wundergruppe“ nach Havard, wird von internationalen Wissenschaftlern anerkannt. Aber Billie macht keine Abschlüsse, sammelt keine Lobeshymnen, denn ihm hat die sozial-emotionale Komponente in seiner Erziehung gefehlt. Billie ist menschenscheu, widersetzt sich allen Regeln guten Benehmens und fällt immer wieder unangenehm durch sein ungestümes und unfreundliches Verhalten auf.
Und selbst in dieser Phase erkennen seine Eltern nicht, dass ihre Erziehung kein geniales, sondern ein „A-soziales“ Kind hervorgebracht hat. Während Billie am liebsten auf dem Rücken liegend und in den Himmel schauend seine Gedanken und Theorien entwickelt, verlangen seine Eltern auf einmal vom ihm, dass er am normalen leben teilnehmen und seinen Unterhalt selber verdienen soll. Für Billie ist es aber schon lange zu spät. Sein Abstieg ist vorprogrammiert und auch politische Freunde oder eine unerfüllte Liebe können ihm keinen Halte geben.
Das Genie ist ein spannendes, tragisches Buch um Hoffnungen und verpasste Lebenschancen. Gleichzeitig ist es ein Kaleidoskop der amerikanischen Gesellschaft von Beginn der früheren Jahrhundertwende über zwei Weltkriege hinweg. Klaus Cäsar besticht mit seiner ruhigen, unaufgeregten Erzählweise. Einwandere, die Unterdrückung und Armut im Heimatland erfahren haben, sehen in Amerika das „gerechte“ Land mit Freiheit und Gleichheit. In diesem Land, indem Leistung zählt, schafft es Boris sich hervor zu tuen. Billie, der dasselbe, nur noch besser machen soll, versagt. Denn Genies können wohl nicht erzogen werden. Auch sie müssen erst ihr Leben leben, um an die wichtigen Erkenntnisse zu gelangen.
Für das Rezension-exemplar danken wir:
Kommentare
Kommentar veröffentlichen