Direkt zum Hauptbereich

Bernhard Schlink: Olga

Roman // Diogenes // 2018 
320 Seiten // 24 Euro // Hardcover mit Leinen

"Mein Lieber, letztes Jahr wolltest Du vor Weihnachten zurück sein, dieses Jahr wollten es die Soldaten. Auf euch Männer ist kein Verlass."

Eine starke Frau im 19. Jahrhundert. Olga ist noch jung als ihre Eltern verstarben. Ohne Vaterfigur wächst Olga bei ihrer Großmutter in einfachen Verhältnissen auf, doch sie ist intelligent und wissbegierig und lernt lesen und schreiben bevor sie in die Schule kommt. In der Schule ist sie eher eine Außenseiterin, doch bald lernt sie die Geschwister Herbert und Viktoria kennen, die aus gutem Hause stammen.
Als Viktoria auf ein Internat geht, kommen sich Olga und Herbert näher. In Vielem scheinen sie sich blind zu verstehen. Während Olga sich jedoch immer wünscht eine Lehrerin zu werden, sehnt sich Herbert nach Ferne. Olgas Liebe zu ihm ist aufrichtig, dennoch kann sie seinen Wunsch nach der Weite nicht verstehen. Wieso wollen die Deutschen immer mehr, wobei sie doch schon alles haben?

Entgegen aller Widerstände schafft es Olga ihren Traum zu verwirklichen und wird Lehrerin an einer kleinen Schule in Böhmen. Auch Herbert möchte seine Vision verwirklichen und plant eine Expedition ins ewige Eis, wofür er sogar nach und nach Sponsoren und Investoren findet. Nachdem Herbert aufgebrochen ist, schreibt Olga ihm viele Briefe und baut sich ein unabhängiges Leben auf.

Der zweite Teil des Buches wird aus der Sicht von einem Jungen erzählt. Er berichtet von seiner Jugend mit Olga. Wie sie an seinem Bett saß, wenn er wochenlang krank war und das Haus nicht verlassen durfte, wie er neben ihr saß und ihr beim Nähen zusah. Sie berichtet ihm von Herbert und so trägt er ihre Lebensgeschichte weiter.


Olga ist eine berührende tiefgründige Geschichte über das Deutschland des 20. Jahrhunderts. Eine kluge, selbstbewusste Frau muss mit ansehen, wie die Liebe ihres Lebens dem Wahn einer ganzen Nation verfällt. Warum wollen die Deutschen immer mehr?
Immer, immer mehr. Dieser Wahn ist auch auf unsere heutige Gesellschaft zu übertragen. Auch wenn dieses "Ziel" nicht auf territorialer Ebene verwirklicht wird. Dennoch sind wir in jeder anderen Hinsicht zur Konsumgesellschaft geworden und wollen in allen Bereichen des Lebens immer weiter und höher hinaus. So hat Bernhard Schlink die damalige Gesellschaft kritisiert, was jedoch auch auf unser jetziges Leben zutrifft. Vielleicht kann Olga jedem von uns ein wenig dabei helfen mehr wertzuschätzen, was wir haben und im Hier und Jetzt zu leben statt immer nur von der Weite zu träumen.


Für das Rezensions-exemplar danken wir: 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020 160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein: Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine g

Der Trubel des akademischen Lebens

ACADEMIA  ist ein statirischer Roman über die Welt der Universitäten und akademischen Weihen. Eve Braintree hat nach der Trennung von ihrem Freund ihre Professorenstelle an der Ostküste aufgegeben, um als Leiterin des Medienzentrums einer renommierten Universität im sonnigen Kalifornien ein neues Leben zu beginnen.  Karen Ruoff: ACADEMIA Roman // Originaltitel: Coming up Ruses Argument Verlag // 2021 // Übersetzt von Christa Schuenke Seiten 400 // 24,00 Euro // Gebunden mit Lesebändchen Als die Budgets der Universität drastisch gekürzt werden, lernt Eve schnell die Schattenseiten des Universitätslebens kennen: Hartley Kendall der Präsident der Universität ist der Prototyp des Machtpolitikers. Nach außen vertritt er zwar den strikten Sparkurs, verfolgt aber nur seine eigenen Reichtums und Machtinteressen. Denn Einfluß an der Universität und in dessen Stiftungsrat haben nur die Mitglieder und Förderer der U_S, was U_numschränkte S_eelenruhe bedeutet. Psychaterin und Hellseherin Anna Na

Andreas Lehmann: Schwarz auf Weiss

Wieder hat der Karl Rauch Verlag es geschafft mich bereits mit der Cover-Gestaltung zu überzeugen. Ich wünschte alle meine Bücher würden so aussehen! Karl Rauch Verlag // 2021 176 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover Als Martin Oppenländer erkennt wie sinnlos und monoton seine Arbeit letztlich ist, will er nicht länger von ihr abhängig sein. Kurzerhand macht er sich selbstständig. Doch die erhoffte Freiheit stellt sich nicht ein als die Welt auf einmal still steht. Da keine Aufträge hereinkommen, bleibt er in der Abhängigkeit, doch dieses mal nicht von einem Arbeitgeber, sondern vom Staat. Sein Leben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein, ohne Alltag mit einem Job, den er nicht ausüben kann. In dieses Chaos hinein erreicht ihn ein Anruf aus der Vergangenheit - von einer Frau, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Als Martin ihr dies gesteht, ist sie zunächst nicht sonderlich erbaut darüber. Trotzdem ruft sie wieder an. Und während er versucht ein Bild von dieser Frau zusammen