Direkt zum Hauptbereich

Paolo Rumiz: Die Seele des Flusses. Auf dem Po durch ein unbekanntes Italien

Reisebericht // Originaltitel: Morimondo // 2013
Folio Verlag // 2018 // Aus dem Italienischen von Karin Fleischhandel
282 Seiten // 24 Euro // Hardcover

Egal ob zu einem einsamen Leuchtturm mitten im Meer (unsere Besprechung dazu findet ihr hier) oder zu einer abenteuerlichen Flussfahrt: Paolo Rumiz auf seinen Reisen zu begleiten, ist immer spannend.

Diesmal hat er den Po befahren, fast von der Quelle in den Bergen von Piemont bis zur Mündung in die Adria. Angepasst an die Bedürfnisse des Flusses war er mit Kanu, Barke und Segelboot unterwegs. Hatte unvergeßlich schöne Momente, hat aber auch die ganze Umweltverschmutzung an den Ufern und im Fluß erlebt, was immer wieder Anlass zu Zivilisationskritik gibt.
Ich hatte von einer Reise in völliger Freiheit à la Huckleberry Finn geträumt, mit Schlafsack, Zelt und Biwaks im Kies. Doch ganz im Gegenteil, adieu Leichtigkeit.

Für seine Fahrt hat er dutzende von Karten gewälzt und gemerkt, dass sich eine exakte Position nicht bestimmen läßt.
Wir bemerkten, dass die Positionsbestimmung eine lächerliche Hysterie der technologiesüchtigen Moderne ist, und überliessen uns der köstlichen Ungewissheit der Pioniere.
Denn der Po kriecht wie eine Schlange, dahin, wohin es ihr passt. Also malt Rumiz sich seine eigenen Karten, in die er auch seine persönlichen Notizen einfügt, wie z.B. die Stelle des singenden Kies oder die Falle des schiefen Baums.


Fünf Männer und eine Frau brechen auf, um in abwechselnder Besatzung den Po zu befahren. Sehen und hören viel, führen interessante Gespräche, auch über die Philosophie des Kanufahrens: "Wir Kanufahrer Zeichen uns dadurch aus, dass wir ganz entspannt herumfahren." Das hat nichts mit Profisport zu tun, sondern mit Zeit sich selber besser kennenzulernen. Sie singen Lieder und rezitieren Gedichte. Schon am ersten Tag kippen zwei Kanus um, es wird Ordnung gemacht und es geht weiter auf der langen Fahrt zur Mündung.

Paolo Rumiz` Buch ist wie alle seine Bücher ein Stück Kulturgeschichte, aber es ist auch eine Warnung an die Unachtsamkeit der Menschen, mit der sie langsam die Erde vergiften, denn es würde schon reichen, wenn man den Po in Ruhe ließe und ihn nicht manipulieren würde:
Unter den Brücken von Moncalieri mussten wir über spitze Eisengegenstände, Waschmaschinen, Matratzen und Autowracks klettern. In Casalgrasso,..., mussten wir die Kanus über Abfallhaufen, über Dornen und giftigen Schlamm ziehen, nur so konnten wir die bröckelnde Staumauer überwinden. Hinter Piacenza mussten wir das Boot mit einem Kran über die Staumauer des Kraftwerks Isola Serafin hieven; die Schleuse talwärts funktionierte nicht, weil sich das Flussbett eben aufgrund der Staumauer abgesenkt hatte.


Für das Rezension-exemplar danken wir:


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Andreas Lehmann: Schwarz auf Weiss

Wieder hat der Karl Rauch Verlag es geschafft mich bereits mit der Cover-Gestaltung zu überzeugen. Ich wünschte alle meine Bücher würden so aussehen! Karl Rauch Verlag // 2021 176 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover Als Martin Oppenländer erkennt wie sinnlos und monoton seine Arbeit letztlich ist, will er nicht länger von ihr abhängig sein. Kurzerhand macht er sich selbstständig. Doch die erhoffte Freiheit stellt sich nicht ein als die Welt auf einmal still steht. Da keine Aufträge hereinkommen, bleibt er in der Abhängigkeit, doch dieses mal nicht von einem Arbeitgeber, sondern vom Staat. Sein Leben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein, ohne Alltag mit einem Job, den er nicht ausüben kann. In dieses Chaos hinein erreicht ihn ein Anruf aus der Vergangenheit - von einer Frau, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Als Martin ihr dies gesteht, ist sie zunächst nicht sonderlich erbaut darüber. Trotzdem ruft sie wieder an. Und während er versucht ein Bild von dieser Frau zusammen

Miika Nousiainen: Quality Time

Ein sehr realitätsnaher, witziger Roman, in dem Toleranz gelebt wird und nicht mit der Moralkeule eingefordert. Sami, Markus, Asta, Nojonen, Hanna; fünf Menschen in Helsinki geben uns einen Einblick in ihre gegenwärtige Lebenssituation und Gefühlswelt. Sie sind eng miteinander verbunden, teils Freunde, teils Geschwister, und Asta ist die Mutter von Sami und Hanna.  Miika Nousiainen: Quality Time Roman // Original: Pintaremontti  Kein & Aber // 2021 // Übersetzt aus dem Finnischen von Elina Kritzokat  336 Seiten // 22,00 Euro // Harcover Miika Nousianinen erzählt aus der Ich-Perspektive des jeweiligen Protagonisten, von Hannas unerfüllten Kinderwunsch, Samis vergeblichen Versuchen die Frau fürs Leben und zur Familiengründung zu finden und von Markus Problemen als alleinerziehender Vater zwei kleiner Töchter. Nojonen hat immer nur seine Eltern gepflegt, erst den Vater, dann die Mutter. Nach deren Tod fällt er in ein tiefes Loch. Asta hat lange unter ihrem herrischem Ehemann gelitten

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020 160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein: Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine g