Autobiografie // Original: Personal History // 1997
Rowohlt Taschenbuch Verlag// Neuausgabe 2018 // Aus dem Englischen von Hennig Thies
704 Seiten // 18,00 Euro // kartoniert
Sehr geehrte Katherine Graham,
Sie haben mich wirklich beeindruckt! In ihrer Biografie erkennt man schnell, dass sie ein großes Talent für das Schreiben hatten. Auf 700 Seiten erzählen Sie dem Leser von Ihrem turbulenten Leben, wobei Sie auch eine Menge zu erzählen haben. Angefangen mit Ihrer Familie:
Der rasante Aufstieg Ihres Vaters und die egozentrische Person Ihrer Mutter scharen die bedeutendsten Personen des 20. Jahrhunderts um sich, Thomas Mann, Steichen, Albert Einstein, Roosevelt – die Liste der engen Bekannten und Freunde der Familie könnte in einem so fortgehen. Mit so einer bekannten und bedeutenden Familie erscheint es einleuchtend, dass es nicht leicht ist seinen eigenen Platz in der Welt zu finden und zu erkämpfen.
Sie erzählen von Ihrer Kindheit, dem schwierigem Verhältnis zu Ihrer Mutter, deren Rolle von dem Kindermädchen übernommen wurde. Ihre Mutter baute einen hohen Druck auf, stellte unerreichbare Erwartungen an Sie und entwarf das Abbild von perfekten, überbegabten Kindern für Sie und Ihre Geschwister, denen Sie versuchten gerecht zu werden. In dieser Zeit konnte ich Sie nur zu gut nachempfinden. Die Angst nicht allem zu genügen, die daraus wachsende Unsicherheit und Zweifel. Auch wenn meine Mutter mit nicht diese hohen Anforderungen stellte, bin ich diejenige, die bis heute hohe Erwartungen an sich selbst hat. Ich hoffe Sie eines Tages so abschütteln zu können wie Sie es erfolgreich getan haben.
„Die Frage, wer wir wirklich waren und welches unsere geistigen und gesellschaftlichen Zielvorstellungen waren, blieb für uns eine stete Quelle der Beunruhigung. [...] Ich war sehr mit mir selbst beschäftigt, manchmal auch von dieser Unsicherheit überwältigt, und das bleib mein ganzes Erwachsenenleben über so – bis ich schließlich die Geduld verlor und mich nicht länger ständig mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen wollte.“
Phil Graham hat mich so manchen Nerv geraubt. Selbstverständlich hatte er schwere Depressionen und konnte daher häufig sein Verhalten wenig steuern oder überdenken. Aber als Phil mit seiner Affäre eine Zeit lang zusammenzog, war ich ganz der Meinung ihrer Freundin Lorraine:
„Na prima!“
„Was soll das heißen, prima?“, erwiderte ich. „Es ist schrecklich.“
„Nein“, antwortete Lorraine mit fester Stimme, „du bist ohne ihn besser dran.“
Dass Sie Ihren Mann wieder in Ihr Haus und familiäres Leben zurücknahmen, hat mich zugegebenermaßen geärgert. Doch ich war nie in Ihrer Situation und die ganze Geschichte zwischen Phil und Ihnen kennen nur Sie selbst.
In Ihren Worten sind sie so unglaublich ehrlich, gestehen auch Schwächen, Fehler und Zweifel ein. Beispielsweise wenn Sie davon berichten, dass Sie sich zu sehr von Ihrem Ehemann Phil Graham abhängig gemacht haben. Sie betonten zu Recht, dass damals das klassische Rollenbild fest in der Gesellschaft verankert war, dennoch tat es mir teilweise etwas weh, dass eine brillante Frau wie Sie die Washington Post nicht sofort von Ihrem Vater übernommen hat, sondern zu erst Ihr Mann Phil.
Das Verhältnis zu Ihrem Vater Eugene Meyer berührte mich. Das tiefe Band, welches sie beide verband und seine sanften Worte in Briefen, wenn er ihre Abwesenheit betrauerte, waren herzerwärmend. Doch vor allem eines vereinte Sie beide: Ihre Liebe zur Washington Post.
Es war sicherlich sehr schwer für Sie in Ihre neue Position bei der Post hineinzuwachsen. Doch als Sie Ihre Rolle und den damit verbundenen Einfluss sowie der Verantwortung bewussten wurden und sie annahmen, wurden Sie zu der außergewöhnlichen Frau, die vermutlich immer in Ihnen gesteckt hat. Vor allem Ihre Worte zur Frauenbewegung haben mir imponiert, da auch in der jetzigen Zeit Frauen anderen Frauen den Rücken stärken sollten.
„Bei mir persönlich bewirkte die Frauenbewegung vor allem eine Klärung meines Denkens. Nicht die zentrale Botschaft der Bewegung – Gleichheit der Frau und weibliche Gleichberechtigung – war mir die wichtigste, sondern dass es auch Frauen zusteht, den ihnen gemäßen Lebensstil zu wählen. Wir Frauen haben alle das Recht, auch andere Rollen zu spielen als die uns traditionell zugegedachte...“
Doch nicht nur für Frauen machten Sie sich stark, Sie taten es auch für Amerika. Denn mit ihrer selbstauferlegten Aufgabe, den Amerikanern durch die Post die Wahrheit nicht zu verschweigen, haben Sie gleich zwei Skandale veröffentlicht. Mit Ben Breedle an Ihrer Seite publizierten Sie zunächst die Watergate-Affaire auf. Sie blieben Ihren Prinzipien treu, selbst wenn Ihre ganze Existenz auf dem Spiel stand.
Sie können mit Stolz auf ein beeindruckendes Leben zurückschauen und erkennen wohl an der Länge meines Briefes wie beeindruckt ich von Ihnen als Person als auch von Ihrem Lebenswerk bin. Ich bedauere es sehr, dass ich Ihnen meine Gedanken nicht mehr selbst mitteilen kann, denn ich hätte Sie gerne kennengelernt – oder am besten als Freundin gehabt.
Ihre Bewunderin
Gianna
Wir danken dem Rowohlt Verlag für das Rezensionsexemplar.
Rowohlt Taschenbuch Verlag// Neuausgabe 2018 // Aus dem Englischen von Hennig Thies
704 Seiten // 18,00 Euro // kartoniert
Sehr geehrte Katherine Graham,
Sie haben mich wirklich beeindruckt! In ihrer Biografie erkennt man schnell, dass sie ein großes Talent für das Schreiben hatten. Auf 700 Seiten erzählen Sie dem Leser von Ihrem turbulenten Leben, wobei Sie auch eine Menge zu erzählen haben. Angefangen mit Ihrer Familie:
Der rasante Aufstieg Ihres Vaters und die egozentrische Person Ihrer Mutter scharen die bedeutendsten Personen des 20. Jahrhunderts um sich, Thomas Mann, Steichen, Albert Einstein, Roosevelt – die Liste der engen Bekannten und Freunde der Familie könnte in einem so fortgehen. Mit so einer bekannten und bedeutenden Familie erscheint es einleuchtend, dass es nicht leicht ist seinen eigenen Platz in der Welt zu finden und zu erkämpfen.
Sie erzählen von Ihrer Kindheit, dem schwierigem Verhältnis zu Ihrer Mutter, deren Rolle von dem Kindermädchen übernommen wurde. Ihre Mutter baute einen hohen Druck auf, stellte unerreichbare Erwartungen an Sie und entwarf das Abbild von perfekten, überbegabten Kindern für Sie und Ihre Geschwister, denen Sie versuchten gerecht zu werden. In dieser Zeit konnte ich Sie nur zu gut nachempfinden. Die Angst nicht allem zu genügen, die daraus wachsende Unsicherheit und Zweifel. Auch wenn meine Mutter mit nicht diese hohen Anforderungen stellte, bin ich diejenige, die bis heute hohe Erwartungen an sich selbst hat. Ich hoffe Sie eines Tages so abschütteln zu können wie Sie es erfolgreich getan haben.
„Die Frage, wer wir wirklich waren und welches unsere geistigen und gesellschaftlichen Zielvorstellungen waren, blieb für uns eine stete Quelle der Beunruhigung. [...] Ich war sehr mit mir selbst beschäftigt, manchmal auch von dieser Unsicherheit überwältigt, und das bleib mein ganzes Erwachsenenleben über so – bis ich schließlich die Geduld verlor und mich nicht länger ständig mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen wollte.“
Phil Graham hat mich so manchen Nerv geraubt. Selbstverständlich hatte er schwere Depressionen und konnte daher häufig sein Verhalten wenig steuern oder überdenken. Aber als Phil mit seiner Affäre eine Zeit lang zusammenzog, war ich ganz der Meinung ihrer Freundin Lorraine:
„Na prima!“
„Was soll das heißen, prima?“, erwiderte ich. „Es ist schrecklich.“
„Nein“, antwortete Lorraine mit fester Stimme, „du bist ohne ihn besser dran.“
Dass Sie Ihren Mann wieder in Ihr Haus und familiäres Leben zurücknahmen, hat mich zugegebenermaßen geärgert. Doch ich war nie in Ihrer Situation und die ganze Geschichte zwischen Phil und Ihnen kennen nur Sie selbst.
In Ihren Worten sind sie so unglaublich ehrlich, gestehen auch Schwächen, Fehler und Zweifel ein. Beispielsweise wenn Sie davon berichten, dass Sie sich zu sehr von Ihrem Ehemann Phil Graham abhängig gemacht haben. Sie betonten zu Recht, dass damals das klassische Rollenbild fest in der Gesellschaft verankert war, dennoch tat es mir teilweise etwas weh, dass eine brillante Frau wie Sie die Washington Post nicht sofort von Ihrem Vater übernommen hat, sondern zu erst Ihr Mann Phil.
Das Verhältnis zu Ihrem Vater Eugene Meyer berührte mich. Das tiefe Band, welches sie beide verband und seine sanften Worte in Briefen, wenn er ihre Abwesenheit betrauerte, waren herzerwärmend. Doch vor allem eines vereinte Sie beide: Ihre Liebe zur Washington Post.
Es war sicherlich sehr schwer für Sie in Ihre neue Position bei der Post hineinzuwachsen. Doch als Sie Ihre Rolle und den damit verbundenen Einfluss sowie der Verantwortung bewussten wurden und sie annahmen, wurden Sie zu der außergewöhnlichen Frau, die vermutlich immer in Ihnen gesteckt hat. Vor allem Ihre Worte zur Frauenbewegung haben mir imponiert, da auch in der jetzigen Zeit Frauen anderen Frauen den Rücken stärken sollten.
„Bei mir persönlich bewirkte die Frauenbewegung vor allem eine Klärung meines Denkens. Nicht die zentrale Botschaft der Bewegung – Gleichheit der Frau und weibliche Gleichberechtigung – war mir die wichtigste, sondern dass es auch Frauen zusteht, den ihnen gemäßen Lebensstil zu wählen. Wir Frauen haben alle das Recht, auch andere Rollen zu spielen als die uns traditionell zugegedachte...“
Doch nicht nur für Frauen machten Sie sich stark, Sie taten es auch für Amerika. Denn mit ihrer selbstauferlegten Aufgabe, den Amerikanern durch die Post die Wahrheit nicht zu verschweigen, haben Sie gleich zwei Skandale veröffentlicht. Mit Ben Breedle an Ihrer Seite publizierten Sie zunächst die Watergate-Affaire auf. Sie blieben Ihren Prinzipien treu, selbst wenn Ihre ganze Existenz auf dem Spiel stand.
Sie können mit Stolz auf ein beeindruckendes Leben zurückschauen und erkennen wohl an der Länge meines Briefes wie beeindruckt ich von Ihnen als Person als auch von Ihrem Lebenswerk bin. Ich bedauere es sehr, dass ich Ihnen meine Gedanken nicht mehr selbst mitteilen kann, denn ich hätte Sie gerne kennengelernt – oder am besten als Freundin gehabt.
Ihre Bewunderin
Gianna
Wir danken dem Rowohlt Verlag für das Rezensionsexemplar.
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