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Ralf Günther: Als Bach nach Dresden kam

Roman // Kindler // 2018 // Mit einem Nachwort von Jan Katzschke
Hardcover // 160 Seiten // 16,00 €

Liebe Bücherfreunde,

da mir schon Die Badende von Moritzburg so gut gefallen hat (die Rezension findet ihr hier), habe ich mich schon sehr auf den neuen Ralf Günther gefreut und er ist wieder großartig. Wie schon die Begegnung der jungen Clara mit dem Maler Ernst Ludwig Kirchner und dem Künstlerkreis "Die Brücke" erzählt Günther wiederum mit leichter Hand, diesmal vom grandiosen "Tastenduell" in Dresden.

Es ist September 1717 und im Mittelpunkt steht der Belgier Jean Baptiste Volumier, Konzertmeister und Direktor der französischen Hofkapelle August des Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, in Dresden. Als sich der berühmt französische Musiker Louis Marchand wegen zahlreicher Affären und Skandale  mit Ludwig dem XIV entzweit und praktisch vom Hof fliehen muss, soll Volumier ihn in Augusts Auftrag nach Dresden holen. Die schöngeistige Welt hält Marchand für den größten lebenden Virtuosen, der ein Tasteninstrument bedienen kann.

Volumier schwant Böses, will August ihn ersetzen? Marchand wird in Brüssel vermutet und Volumier, der das Reisen hasst, ist gezwungen dorthin mit der ordinären Postkutsche zu fahren und in billigen Gasthäusern zu übernachten. Hier malt Günther mit wenigen Worten ein schönes Sittengemälde: Der Grand Place in Brüssel, die gerade in Mode gekommenen Chocolaterien, die feinen Töchter aus Brüsseler Spitze. Tatsächlich kommt es zu einem Treffen der Beiden und sie sind sich auf Anhieb unsympathisch. Noch mehr, da Marchand Volumier in Gegenwart einer leicht bekleideten Frau empfängt.

Trotzdem erfüllt Volumier seinen Auftrag und überzeugt den mittellosen und verschuldeten Marchand mittels eines gut gefüllten Geldbeutels nach Dresden zu kommen, nachdem er Marchand leidenschaftliches Spiel in der St. Michael- und St. Gundula Kathedrale an der Orgel erlebt hat:
"Ohne Vorwarnung platzen die ersten Orgeltöne in den Blickwechsel und beanspruchten Volumiers ganze Aufmerksamkeit. Er sammelte sich, um so genau wie möglich zu lauschen. Die Rhythmen und Harmonien erreichten sein Herz und ließen es flimmern".

Auf der Rückreise hört Volumier von dem genialen, aber noch nicht sehr bekannten Hofkappelmeister Bach in Weimar, der aus einer begnadeten Musikerfamilie stammt. So steigt Volumier in Leipzig nicht in die Kutsche nach Dresden, sondern nach Weimar. Dort trifft er den jungen Bach in der Himmelsburg, der Residenz des Fürsten Wilhelm Ernst während einer Probe mit der Hofkapelle an und lädt ihn schließich auch nach Dresden ein.
"Bachs Spiel war nicht so klangversessen wie das des Franzosen; es wirkte erdiger, wie Volumier es schon von seinen anderen deutschen Kollegen kannte. Bach stand vollkommen still, alle Konzentration war auf die Musik und seine Kapelle gerichtet."

Volumier erkennt Bachs außerordentliches Talent. Er hat jederzeit die vollkommene Stimmführung über das komplette Werk und setzt auf die innere Vollkommenheit:
"Während Marchand sich im Genuss der äußeren Wirkung seiner Musik auslebte, ließ Bach sie aus sich selbst heraus wirken."

Zurück in Dresden will Volumier einen Wettkampf, ein Duell der Giganten, ein von August geliebtes Spektakel zwischen dem strengen, gottesfürchtigen Protestanten Bach und dem exzentrischen, erotischen Katholiken Marchand organisieren, denn "die beiden Flammen würden sich gegenseitig verzehren". Doch kaum in Dresden angekomme,n bringen der sittenstrenge Bach und der ausufernde Marchand Volumiers zartes Liebesleben und auch den gesamten Hofstaat durcheinander.

Die Geschichte vom "Tastenduell" beruht auf einer wahren Begebenheit und ohne spoilern zu wollen, fand sie ganz anders statt als von Volumier gedacht. Denn während es durchaus berühmte musikalische Wettstreite gab, wie Jan Katschke in seinem Nachwort erzählt, fand "das wohl berühmteste Duell der Musikgeschichte,..., 1917,...gar nicht statt", da einer der Kontrahenten vorzeitig aus Dresden verschwand.


Wir danken dem Atlantik Verlag für das Rezensionsexemplar.

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