Direkt zum Hauptbereich

Fünf am Meer - Emma Sternberg

[Roman]



Ein wunderschönes altes verlebtes Haus mit großem verwilderten Garten mit Zugang zum Meer und einem scheinbar endlosen Sandstrand. Ein absoluter Traum, mein wundervoller Traum. Nur, dass er für Linn wahr wird als sie die ehemalige Pension ihrer bislang unbekannten Tante Dorothy, in den mondänen Hamptons direkt vor den Toren von New York erbt. Aber natürlich hat auch dieser Traum einen Haken.



In der ehemaligen Pension ihrer verstorbenen Tante wohnen ihre fünf Freunde in einer Art WG zusammen. Alle fünf sind als Urlaubsgäste gekommen und irgendwann einfach geblieben. Die mittlerweile alten Leute fürchten um ihr Zuhause. Als sie Linn jedoch nicht mehr als Erbschleicherin ansehen, wird es sehr nett mit den Bewohnern, denn sie haben zwar alle kein Geld, aber eine interessante Lebensgeschichte zu erzählen. Abends treffen sie sich zum gemeinsamen Essen, Trinken und Erzählen. Von ihnen erfährt Linn viele Geschichten aus dem Leben ihrer umschwärmten Tante Dorothy, genannt Dotty. Dotty hatte viele Jahre lang das bei Schauspielern und Künstlern gleichermassen beliebte Hotel Hamilton geleitet und viele berühmte Männer lagen ihr zu Füssen. Patti, die hervorragende Granatapfel-Manhattans mixen kann, war die Barkeeperin des Hotels. Und die wundervoll italienisch kochende Ornella war mit dem Starkoch des berühmten Hotelrestaurants verheiratet.

Die Idylle wäre perfekt, säße nicht Mr. Cunningham, der Erbdetektiv, Linn im Nacken. Er hatte Linn in München ausfindig gemacht und sie von ihrer Erbschaft benachrichtigt. Dafür musste Linn einen Vertrag unterschreiben, der sie jetzt 1,5 Millionen Dollar Provision für Mr. Cunningham kosten soll. Allerdings hat Mr. Cunningham auch gleich einen russischen Oligarchen bei der Hand, der das alte Anwesen für 11 Millionen Dollar kaufen würde. Abzüglich amerikanischer Erbschaftssteuer würden Linn dann noch ungefähr 4,5 Millionen Dollar bleiben.

Ein unglaublich tolles Angebot für die mittellose Linn. Hatte sie doch gerade in München ihren Verlobten in flagranti mit der neuen Kollegin erwischt, wodurch sie jetzt ohne Wohnung und Job auf der Straße steht. Alles wäre jetzt gut, wenn nicht die alten Freunde ihrer Tante wären. Linn fühlt ihnen gegenüber eine moralische Verpflichtung. In jungen Jahren hat sie ihre Familie verloren und wurde durch diverse Pflegefamilien gereicht, immer auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit. Das alte Haus mit seinen Bewohnern könnte einer Familie schon sehr nahe kommen. Und dann ist da auch noch Ted, der Sohn Leonores, einer Bewohnerin, der ganz in der Nähe wohnt und den alten Leuten zur Seite steht.

Als Alain, ein attraktiver Journalist des New Yorker in den Hamptons auftaucht und nach einem Bild von Dotty, gemalt von dem berühmten Mal Paul Bryon sucht, stürzt sich Linn in weitere Schwierigkeiten.

Natürlich muss man Linn mögen, auch wenn sie unglaublich naiv ist und von einer Schwierigkeit in die nächste gerät. Aber Linn ist nicht pathetisch oder in Selbstmitleid erstickend.Sie sieht ein Problem, entscheidet sich oftmals falsch, aber macht ohne groß zu jammern kurzentschlossen weiter. Und das ist das nette an Linn, auch wenn ich mir wiederholt denke: „Oh Mädchen, nicht schon wieder“, aber wenn die Sonne am nächsten Tag über den Meer aufgeht, geht es auch mit Linn und der Geschichte weiter. Unsentimental und doch heiter, wozu auch die abgeklärte Stimmung unter den alten Leuten beiträgt. In so einer Umgebung lässt sich der Sommer gut verbringen, mit Ornellas wundervollem italienischen Essen, Pattys gemixten Drinks und Leonores gebackenen Frühstück-Scones.

Wie ich mir nach dem Film „Ein gutes Jahr“ sehnlich ein altes Weingut in Frankreich wünschte, träume ich jetzt von einer Pension mit Meerzugang in den Hamptons.

Wilhelm Heyne Verlag, München 2016
460 Seiten, 9,99 Euro

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Andreas Lehmann: Schwarz auf Weiss

Wieder hat der Karl Rauch Verlag es geschafft mich bereits mit der Cover-Gestaltung zu überzeugen. Ich wünschte alle meine Bücher würden so aussehen! Karl Rauch Verlag // 2021 176 Seiten // 20,00 Euro // Hardcover Als Martin Oppenländer erkennt wie sinnlos und monoton seine Arbeit letztlich ist, will er nicht länger von ihr abhängig sein. Kurzerhand macht er sich selbstständig. Doch die erhoffte Freiheit stellt sich nicht ein als die Welt auf einmal still steht. Da keine Aufträge hereinkommen, bleibt er in der Abhängigkeit, doch dieses mal nicht von einem Arbeitgeber, sondern vom Staat. Sein Leben scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein, ohne Alltag mit einem Job, den er nicht ausüben kann. In dieses Chaos hinein erreicht ihn ein Anruf aus der Vergangenheit - von einer Frau, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Als Martin ihr dies gesteht, ist sie zunächst nicht sonderlich erbaut darüber. Trotzdem ruft sie wieder an. Und während er versucht ein Bild von dieser Frau zusammen

Miika Nousiainen: Quality Time

Ein sehr realitätsnaher, witziger Roman, in dem Toleranz gelebt wird und nicht mit der Moralkeule eingefordert. Sami, Markus, Asta, Nojonen, Hanna; fünf Menschen in Helsinki geben uns einen Einblick in ihre gegenwärtige Lebenssituation und Gefühlswelt. Sie sind eng miteinander verbunden, teils Freunde, teils Geschwister, und Asta ist die Mutter von Sami und Hanna.  Miika Nousiainen: Quality Time Roman // Original: Pintaremontti  Kein & Aber // 2021 // Übersetzt aus dem Finnischen von Elina Kritzokat  336 Seiten // 22,00 Euro // Harcover Miika Nousianinen erzählt aus der Ich-Perspektive des jeweiligen Protagonisten, von Hannas unerfüllten Kinderwunsch, Samis vergeblichen Versuchen die Frau fürs Leben und zur Familiengründung zu finden und von Markus Problemen als alleinerziehender Vater zwei kleiner Töchter. Nojonen hat immer nur seine Eltern gepflegt, erst den Vater, dann die Mutter. Nach deren Tod fällt er in ein tiefes Loch. Asta hat lange unter ihrem herrischem Ehemann gelitten

Ilinca Florian: Das zarte Bellen langer Nächte

Roman // Karl Rauch Verlag // 2020 160 Seiten // 20.00 Euro // gebunden mit Lesebändchen Das zarte Bellen langer Nächte ist ein typisches Buch über eine verlorenen Seele in der Großstadt Berlin und über das Erwachsenwerden. Nach ihrem Studienabschluss weiß Hannah nicht, wohin ihr Weg sie führt. Sie nimmt verschiedene Jobs an, um sich über Wasser zu halten, so arbeitet sie für das KaDeWe oder auch für Zalando bei der Rücknahme von Kleidungsstücken. Bei vor allem letzteren fand ich einen Eindruck in die Arbeitsweise spannend, doch auch dort hält es Hannah nicht lange. Sie ist in gewisser Weise rastlos, ohne hibbelig zu sein, verloren, ohne orientierungslos zu sein: Hannah ist weder traurig noch besonders glücklich. Sie denkt an früher, als sie oft alleine durch den Wald spazierte, der in der Nähe ihres Gymnasiums lag. Hat sie sich verändert? Überhaupt nicht. Seltsam, der Gedanke. Dass man immer der gleiche Mensch bleibt, es werden nur Jahre, Kleidung, ein wenig Schminke und eine g