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Andrea De Carlo: Das wilde Herz

Roman // Diogenes // 2019 
Aus dem Italienischen von Petra Kaiser und Maja Pflug 
463 Seiten // 16,00 Euro // Paperback 

Das Wilde Herz ist eine fesselnde Dreiecksgeschichte über zwei Männer und eine Frau und über Illusionen.

Craig und Ivo sind entgegengesetzte Pole. Craig ist Engländer, Anthropologe und hat in der Feldforschung spannende Abenteuer erlebt. Jetzt lebt er als Professor, der Studenten unterrichtet, wissenschaftliche Bücher schreibt und eine populärwissenschaftliche Fernsehsendung bestreitet eher im wissenschaftlichen Elfenbeinturm und der Realität der Medien. Er beobachtet und analysiert Menschen nur noch, statt sich wirklich auf sie einzulassen. Wägt jede Handlung auf Vor- und Nachteilen für die bestehenden Machtverhältnisse und mögliche Gewinne und Verluste ab.

Sein Gegenpol ist der Italiener Ivo, ein etwas zwielichter Bauunternehmer, ein Rockertyp voller Aggressionen und stets gewaltbereit. Seine niedrige Toleranzschwelle und hohe Emotionalität bringen ihn immer wieder in Schwierigkeiten. Gleichwohl kann er ein mitfühlender und guter Freund sein, dem seine gute Arbeit wichtig ist.

Vor sieben Jahren hat Craig die italienische Bildhauerin Mara getroffen und die beiden haben geheiratet. Das Jahr verbringen sie in Craigs Universitätsstadt Cambridge, drei Wochen im Sommer in Maras alten Häuschen irgendwo in den Ligurischen Bergen. Hier arbeitet Mara an ihren Katzenskulpturen aus Tuffstein. Craig findet keinen Zugang zum Haus, dem kleinen Dorf und seinen Bewohner und als er nach einer Inspektion eines Wasserschaden durch das Dach des Hauses fällt, hasst er alles noch mehr. Da kommt Ivo gerade Recht, der verspricht, das Dach mit seinen osteuropäischen Arbeitern in wenigen Tagen gegen Barzahlung und ohne das Einkommen von langwierigen Baugenehmigungen zu sanieren.

Im Laufe seiner Karriere hat Craig die Theorie von "Wilden Herz" aufgestellt, nachdem "die menschliche Spezies, wie hochentwickelt sie auch sein mochte, noch immer mit diesem uralten, weitgehend unkontrollierbaren emotiv-reaktiven Muskel zu kämpfen hat, trotz aller kulturellen und sozialen Fortschritte ... Sie gehorchen seinen Impulsen und Gegenimpulsen und müssen mit dem Schatten leben, die er unweigerlich auf das Hinterland ihres Denkens wirft."

Und da Ivo definitiv ein wildes Herz hat und Mara auch, wenn auch kultivierter, entsteht sofort eine große Spannung zwischen den beiden. Denn der Frauenabschlepper Ivo sucht insgeheim die ungewöhnliche, starke Frau und bei ihm spielen Alter und Aussehen keine Rolle. Ganz im Gegenteil zu Craig, der eine kurze Affäre mit einer jungen Studentin mit schlanker Figur hatte, die ihn bewunderte und verehrte. Mara gefällt Ivo gerade weil sie älter, Künstlerin und kompliziert ist: "Weil sie durch ihre Arbeit als Bildhauerin ziemlich viel Kraft in den Armen hat und auch im Kopf, sonst könnte sie den Stein gar nicht bearbeiten. Das gerade das gefällt ihm, sehr sogar".

Craig dagegen fühlt die allgemeine Desillusion, gibt zu ein Opfer seiner eigenen Erwartungen geworden zu sein: "Wenn es ihm mit Mara so gegangen ist, dann auch ihr mit ihm, genau wie Millionen von anderen Menschen, die überzeugt sind, in einem Partner die perfekte Vervollständigung der eigenen Existenz gefunden zu haben".

Mich hat De Carlos Geschichte, die an wenigen Tagen spielt, sehr gefangen genommen. Die Spannung entsteht durch Craigs analytische, Ivos wilde und Maras irgendwo dazwischenstehende Gedanken und Überlegungen. Eigentlich sind alle drei Opfer und Helden ihrer Illusionen, so dass man für keine Figur Partei ergreifen braucht. Auch gelingt es De Carlo sehr gut, den Lesern in die verbrannte italienische Sommerlandschaft mit ihren Bewohnern zu versetzten, so dass man gebannt den Ereignissen folgen muss.


Wir danken dem Diogenes Verlag für das Besprechungsexemplar.

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