Roman // Haymon // 2019 // Übersetzt aus dem Italienischen von Anna Rottensteiner
Gebunden // 224 Seiten // Euro
Ezra Kramer wächst in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in Boston auf. Da die Eltern erst spät ultraorthodox wurden, suchen sie immer noch Anerkennung und ihren Platz in der Gemeinde. Ezra ist ihnen da keine Hilfe. Obwohl fest im jüdischen Glauben verhaftet, stellt er zu viele Fragen, sieht die Welt nicht nur in Schwarz und Weiß, sondern glaubt an ein jüdischen Leben zwischen den Extremen.
Als er wegen unerlaubten Fotografierens von einer Mitschülerin von der Schule verwiesen wird, hilft ihm seine jüdische Tante Suzie. Obwohl seine Eltern den Kontakt mit ihr abgebrochen hatten, hält sie an Ezra fest und verhilft ihm zu einem Platz an einer gemäßigten Schule:
"Von meinen Tellern hatte sie gesagt, nicht von meinen Speisen. Darum ging es nämlich: nicht um die Speisen, die auf den Tellern serviert wurden, sondern um die Teller selbst. Tante Suzie hätte mir nie Hummer angeboten oder Bauchspeck oder andere verboten Speisen, doch allein die Tatsache, dass auf den Tellern auch nur einmal eine solche gelegen haben mochte, machte diese unrein und unbrauchbar."
Ezra lebt das Leben eines Außenseiters. Nur die Fotografie und Carni, der zeitweise Pflegesohn seiner Eltern sind ihm eine Stütze. Als Carni die Familie wieder verlassen muss und kurz darauf spurlos verschwindet, verlässt Ezra seine Eltern und Boston, um als Fotograf in New York ein neues Leben zu beginnen. Er hat den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen, die monatliche Geldüberweisung seiner Mutter hilft ihm jedoch über die Runden zu kommen. In New York findet er immer wieder neue Motive, aber es sind seine alten Fotos von seiner Mitschülerin, die ihm einen Assistentenjob bei einer berühmten Modefotografin verschaffen.
Alkohol, Schlafmittel und Drogen wechseln sich ab, aber Ezra geht nie völlig unter:
"Ich hatte ihm (Carni) gesagt, dass es zwischen Schwarz und Weiß eine Zone mit vielen Schattierungen gab und dass ich sie ihm eines Tages zeigen würde. Stattdessen hatte ich diese Zone flugs hinter mir gelassen."
Schließlich geht Ezra zu einem Psychiater und erzählt ihm seine Geschichte. Der empfiehlt Ezra ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen und echte, wahrhaftige Beziehungen zu knüpfen. Als ein Modeshooting in Bahrain wegen Unruhe abgebrochen werden muss, fliegt Ezra nicht nach New York zurück, sondern steigt in ein Flugzeug dass ihn nach Israel bringen soll.
Weitwinkel ist ein großartig erzählter Roman und alle Personen wirken sehr authentisch. Obwohl Ezra irgendwann die Suche nach dem "Zwischen den Extremen" abgebrochen zu haben scheint, ist sein ganzes Leben ein Ausloten und Versuchen einen für ihn gangbaren jüdischen Weg zu finden. Weitwinkel ist einfach ein großartiges Buch, für das Simone Somekh 2018 mit zwei Literaturpreisen, dem Premio Viareggio und dem Premio Letterario, ausgezeichnet wurde. Wie ich finde zu Recht.
Wir danken dem Haymon Verlag für das Besprechungsexemplar.
Gebunden // 224 Seiten // Euro
Ezra Kramer wächst in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in Boston auf. Da die Eltern erst spät ultraorthodox wurden, suchen sie immer noch Anerkennung und ihren Platz in der Gemeinde. Ezra ist ihnen da keine Hilfe. Obwohl fest im jüdischen Glauben verhaftet, stellt er zu viele Fragen, sieht die Welt nicht nur in Schwarz und Weiß, sondern glaubt an ein jüdischen Leben zwischen den Extremen.
Als er wegen unerlaubten Fotografierens von einer Mitschülerin von der Schule verwiesen wird, hilft ihm seine jüdische Tante Suzie. Obwohl seine Eltern den Kontakt mit ihr abgebrochen hatten, hält sie an Ezra fest und verhilft ihm zu einem Platz an einer gemäßigten Schule:
"Von meinen Tellern hatte sie gesagt, nicht von meinen Speisen. Darum ging es nämlich: nicht um die Speisen, die auf den Tellern serviert wurden, sondern um die Teller selbst. Tante Suzie hätte mir nie Hummer angeboten oder Bauchspeck oder andere verboten Speisen, doch allein die Tatsache, dass auf den Tellern auch nur einmal eine solche gelegen haben mochte, machte diese unrein und unbrauchbar."
Ezra lebt das Leben eines Außenseiters. Nur die Fotografie und Carni, der zeitweise Pflegesohn seiner Eltern sind ihm eine Stütze. Als Carni die Familie wieder verlassen muss und kurz darauf spurlos verschwindet, verlässt Ezra seine Eltern und Boston, um als Fotograf in New York ein neues Leben zu beginnen. Er hat den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen, die monatliche Geldüberweisung seiner Mutter hilft ihm jedoch über die Runden zu kommen. In New York findet er immer wieder neue Motive, aber es sind seine alten Fotos von seiner Mitschülerin, die ihm einen Assistentenjob bei einer berühmten Modefotografin verschaffen.
Alkohol, Schlafmittel und Drogen wechseln sich ab, aber Ezra geht nie völlig unter:
"Ich hatte ihm (Carni) gesagt, dass es zwischen Schwarz und Weiß eine Zone mit vielen Schattierungen gab und dass ich sie ihm eines Tages zeigen würde. Stattdessen hatte ich diese Zone flugs hinter mir gelassen."
Schließlich geht Ezra zu einem Psychiater und erzählt ihm seine Geschichte. Der empfiehlt Ezra ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen und echte, wahrhaftige Beziehungen zu knüpfen. Als ein Modeshooting in Bahrain wegen Unruhe abgebrochen werden muss, fliegt Ezra nicht nach New York zurück, sondern steigt in ein Flugzeug dass ihn nach Israel bringen soll.
Weitwinkel ist ein großartig erzählter Roman und alle Personen wirken sehr authentisch. Obwohl Ezra irgendwann die Suche nach dem "Zwischen den Extremen" abgebrochen zu haben scheint, ist sein ganzes Leben ein Ausloten und Versuchen einen für ihn gangbaren jüdischen Weg zu finden. Weitwinkel ist einfach ein großartiges Buch, für das Simone Somekh 2018 mit zwei Literaturpreisen, dem Premio Viareggio und dem Premio Letterario, ausgezeichnet wurde. Wie ich finde zu Recht.
Wir danken dem Haymon Verlag für das Besprechungsexemplar.
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